Zur Person:

Die Autorin ist Mitinitiatorin des Frauen-Volksbegehrens, Köchin und schreibt Krimis.

Foto: Rossmann

Wozu bitte brauchen wir eine Tageszeitung für Frauen? Wenn Frauen - zumindest in unserer Gegend - schon länger lesen lernen dürfen und ihnen ohnehin nicht verwehrt ist, "ordentliche" Zeitungen zu lesen? Also solche, die sich an ALLE richten. Eine frauenspezifische Zeitung: Da wollen wohl einige wieder einmal mehr, als ALLEN anderen zugestanden wird. Eine Extrawurst für die Ladys, sodass man sich fragen muss, wo da die Männer bleiben. Frauenspezifische Arbeitsmarktprogramme, Frauenquoten, wo sie doch ALLES haben: eine Regierung, das AMS und jede Menge Jobchancen, Gremien, in denen sie wählen und in die sie gewählt werden können.

Nichts gegen Frauenzeitschriften, aber eine politische Tageszeitung? Gar eine gesellschaftspolitisch relevante, wo mögliche Hinterfragung, Aufwiegelung, wo Evolution oder gar Revolution gegen das NORMALE zu vermuten steht?

Und das NORMALE haben doch wirklich kluge Männer gemacht - oder Menschen, die wissen, wo es langgeht. Die Frauen mitarbeiten lassen, die Zeiten haben sich geändert. Aber der Blick auf die Welt ... den sollte man doch nicht leichtfertig verrücken. Nicht dass deswegen gleich von verrückten Weibern geredet werden sollte, MANN ist Gentleman, einer, der Damen in den Mantel hilft und potenzielle Emanzen zuvor fragt, ob er das tun darf (wie viele Frauen haben einen Mann wegen einer höflichen Geste schon beschimpft oder niedergeschlagen?).

Und dann dieStandard.at. Noch dazu im Internet, wo man so einfach sammeln, kopieren, weiterleiten kann. Eine Brutstätte für eine Weltsicht, die sich dem HERKÖMMLICHEN kritisch annähert. Ein Forum, wo NORMEN hinterfragt werden, wo aus weiblicher Sicht auf das Leben geblickt wird. In aller Vielfalt und mit Witz, sogar mit Spott über Männchen, die Zitronen verdienen.

Und unglaublich: dieStandard.at wird nicht NUR von Frauen gelesen, sondern auch von Männern. Eine wahre Begebenheit: Fragt doch ein Mann, kurz nach dem Tod von Johanna Dohnal, der nicht nur Gedenken, sondern offenbar auch Nachdenken bewirkt hat, was denn das mit dem Feminismus soll. Ob das bloß so etwas für ein paar gutausgebildete, unausgelastete, mit allem unzufriedene Frauen sei. Seine Gesprächspartnerin will ihm schon ins Gesicht springen, aber dann denkt sie sich, es war allemal eine Frage nach Feminismus, und weil sie nicht schon wieder alles über Lohnschere, ungerechte Verteilung, erzählen will, rät sie ihm einfach, dieStandard.at zu lesen.

Er tut es und einige Tage später meint er irritiert: "Das interessiert ja ALLE." Sanft wird er korrigiert, ALLE leider immer noch nicht, weil ALLES doch noch immer überwiegend männlich ist. "Mich aber schon", beharrt er und ist erstaunt, dass das was mit Feminismus zu tun hat. Wo soll unsere Gesellschaft hin? Soll sie vielleicht gar zu einer werden, in der Frauen nicht nur bestenfalls teilhaben dürfen, sondern in der sie über die Spielregeln mitentscheiden? In der Frauen, Frauenspezifisches und die Leistungen von Frauen nicht mehr bloß Randbemerkungen der Geschichte sind?

JA. - Und mehr als ALLES Gute zum Geburtstag, du meine dieStandard.at! (Eva Rossmann, DER STANDARD, Print, 8.3.2010)