Richard Kapp & The Gowns: "Lunchbox"

Vorhang auf für das quirligste Salonorchester der Saison! In famoser Weise begleitet es Richard Kapp durch alle Tempowechsel, lässt ihm Freiraum für Gesang und Pianospiel, um ihm dann wieder - "Too Much To Do"! - eine wilde Hetzjagd zu liefern: genial arrangiert.

Auf seinem dritten im Eigenvertrieb erschienenen Album weckt der in Wien lebende Kapp starke Erinnerungen an (da gibt's kein Drumherumkommen ...) The Divine Comedy. Nicht nur weil er stimmlich Neil Hannon ähnelt, sondern auch weil er das tragikomische Potenzial aller Arten von Misslichkeiten auslotet: Von der Enttäuschung über alte Freunde über lästige Fahrstunden bis hin zum finalen Abgang. "I Will Catch You" kommt als Lied über den Tod so fies-fröhlich daher wie einst "Maxwell's Silver Hammer" der Beatles. Eine echte Entdeckung!

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Richard Kapp

Coverfoto: Richard Kapp

Zeebee: "Be My Sailor"

OK, in Deutschland gibt es Niobe und in Dänemark Gry, aber hierzulande hat Eva Engel alias Zeebee eine Nische für sich allein erobert: Einen Gesangsstil, der aus der Ära herübergeweht scheint, als die Musik noch aus dem Trichter kam: Wunderschön, wie sie im Titeltrack den Captain of my Heart besingt.

Kongenial begleitet vom Produzenten Klaus Waldeck; eine Zusammenarbeit, die sich schon einmal bewährt hat. "Be My Sailor" klingt vor allem in der ersten Hälfte wie der Score eines stilsicheren Tanzfilms: Dubbig modernisiert zwar und mit einem Bass an der Infraschall-Grenze, aber nichtsdestotrotz eine Atmosphäre von Ballrooms, Tango, Pasodoble und glitzernden Spiegelkugeln heraufbeschwörend. (Dope Noir/Hoanzl)

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Zeebee

Coverfoto: Dope Noir

My Name Is Music: "Revolution"

Maßgeblich von einer Stimme lebt auch das erste Album des Wiener Duos My Name Is Music. In diesem Falle ist es die von Phoebe Hall, und nur allzu leicht ließe sie sich in ausladende Soul-Arrangements einwickeln. Aber Dynamik kommt nur zustande, wenn man nicht alle Zwischenräume zukleistert, und hier kommt Komponente 2 ins Spiel, Niki Altmanns reduziertes Instrumentarium: Bass, eine unablässig Rock- und Funkriffs ausspuckende Gitarre und ein sehr zurückgenommenes Schlagzeug. In Zeiten, da LoFi-Bastler sich einen Ehrgeiz daraus machen, mehr Instrumente einzubauen als Großproduktionen (auch wenn sie alle hintereinander selbst einspielen müssen ...) ist das auch ein Statement.

Streckenweise ("Popstar", "Oh Shit, My Boyfriend is Darth Vader") erinnert mich das irgendwie an die allerallerallerersten Aufnahmen von Rita Mitsouko: Bevor der Erfolg kam und sie erst einmal die Grundsteinlegung des Rock rekonstruierten. Die beiden gingen anschließend einen Weg, den wohl niemals jemals irgendjemand wieder beschreiten wird. Aber auf jeden Fall demonstrierten sie, dass es ein guter Plan ist, sich erst einmal ein musikalisches Skelett aufzubauen, beginnend mit dem Rückgrat. Wird spannend sein zu sehen, wie's mit My Name Is Music weitergehen wird. (Pate Records/Edel)

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My Name Is Music

Coverfoto: Pate Records

Bunny Lake: "The Beautiful Fall"

Ich bin wahrscheinlich nicht im richtigen Alter, um an das Jahr "1994" irgendwelche mythenbeladenen Erinnerungen zu hegen, aber die gleichnamige Vorab-Single hatte mit ihrem Ohrwurm-Potenzial zumindest Appetit auf das am 19. März erscheinende dritte Bunny Lake-Album gemacht. Wie schon die noch früher erschienene Auskoppelung "Into the Future".

... und wie eine ganze Reihe Songs auf "The Beautiful Fall" das gegebene Versprechen einlöst, beginnend beim Album-Opener "Swallow the Darkness": I've got the blues, baby, bin aber trotzdem im Uptempo unterwegs - soll mich die Finsternis erst mal einholen. Suzy On The Rocks und Christian Fuchs als Frontfiguren der Elektropop-Formation halten die Form knallig und den Inhalt abgeklärt: Von "The Last Days of Disco" über seriellen Sex und Glamour-Girls werden Archetypen des Hedonismus ins Visier genommen, ohne auf den pelzigen Geschmack auf der Zunge am Morgen danach zu vergessen. Und weiter geht's: We will be fucked-up but alright! (Universal)

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Bunny Lake

Coverfoto: Universal

Garish: "Wenn dir das meine Liebe nicht beweist"

Wo liegt eigentlich das Meer, an dessen Hafenmolen die Songs von Garish neuerdings zu entstehen scheinen? Der Neusiedler See kann's ja nicht sein, der dieses schunkelige Weitegefühl inspiriert, das die Burgenländer auf ihrem fünften Album so heraufbeschwören, wie es in den 90ern Element of Crime oder (falls sich an die noch wer erinnert) M. Walking On The Water taten.

Die Soundentwicklung scheint auch unberührt von infrastrukturellen Rahmenbedingungen und Erwartungsdruck zu bleiben: Vom Kleinlabel zum Major und wieder zurück zum Kleinen ist die Reise gegangen, und Thomas Jarmers Lieder legen noch einmal deutlich an innerer Dynamik zu. Das Filigrane, Kryptische, Kopfige, das Garish gerne zugeschrieben wird, ist bewahrt worden - zugleich sind aber (siehe vor allem "Eisenherz", "Wir warten" oder "Dann fass ich mir ein Herz") Tschingderassa-Stellen eingebaut, bei denen die vollgepackte Walfischbar selig im Chor mitjaulen kann. Zukunft ahoi! (Schoenwetter Schallplatten/Hoanzl)

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Garish

Coverfoto: Schönwetter Schallplatten