Josef Hoffmann: Deckeldose, Wiener Werkstätte 1904.

Fotos: Im Kinsky

Erotisierend unschuldig, lautet die treffende Beschreibung für die Aktdarstellung einer jungen dunkelhaarigen Schönheit, die - die Beine artig ineinander verschränkt - 1903 auf dem Sofa im Atelier von Leo Putz Platz nahm. "Das Bild wurde nach mehrmaligen Ausstellungen übermalt", steht im Katalog. Ein Schelm, wer Grapschereien schmachtender Verehrer vermutet. Nein, keine einzige der Körperpartien musste der Südtiroler Künstler auffrischen, sondern er ersetzte - wie im Werkverzeichnis dokumentiert - das Profil eines Atelierbesuchers durch einen Strauß Schnittrosen. In Wien hatte sich am 2. März im Rahmen der 77. Auktion "Im Kinsky" eine Gruppe von Bewunderern eingefunden, den Sieg beanspruchte bei 145.000 Euro (Kaufpreis brutto 181.250 Euro) schließlich ein heimischer Bieter.

Sechsstellige Gebote

Gegen die sonst für die Konkurrenz tätige Sensalin Renate Krenmayr sowie einen hartnäckigen Telefonbieter musste sich hingegen der Chefeinkäufer eines griechischen Reeders für Alfred Kubins auf 25.000-50.000 Euro taxierte Kohlezeichnung Seltsame Fahrt durchsetzen. Erst bei 73.000 Euro (97.163) machte sich die Sturheit in diesem Fall bezahlt. In die gleiche Sammlung wechselten John Bagnold Burgess Der Fächerverkäufer (14.500/18.125 Euro) oder Waldemar Güttners Mädchen im Blütenkleid (27.000/33.750 Euro).

Ganz ohne nennenswerte Gegenwehr anderer Interessenten wanderten zwei Arbeiten Renoirs für 190.000 (233.500) bzw. 100.000 (125.000) Euro nach Polen ab. Die heimische Sammlerschaft hatte an diesem Abend andere Vorlieben und sicherte sich etwa Oskar Kokoschkas Porträt einer Gräfin für das Doppelte der Erwartungen (130.000/162.000 Euro) oder Edward Cucuels Träumerei, die bei 85.000 Euro (117.895) im Westen Österreichs eine neue Heimat gefunden haben dürfte. Einen etwas weiteren Transportweg hat Josef Hoffmanns für die Wiener Werkstätte entworfene und ebendort ausgeführte Deckeldose vor sich, für die ein amerikanischer Sammler 120.000 Euro (150.000) bewilligte.

Die Auswahl an zeitgenössischen Meisterwerken quittierte das Publikum ebenfalls mit Geboten im sechsstelligen Bereich: Franz Ringels Brief an meine Freunde (100.000/126.475) fiel ebenso in diese Kategorie wie Josef Mikls Große Büste (130.000/162.500). Los Nummer 99 war einem Bieter sogar einen neuen Auktionsweltrekord wert: 170.000 (212.998) Euro ließ sich dieser Arnulf Rainers aus einer heimischen Privatsammlung stammendes unbetiteltes Sackleinen-Werk aus dem Jahr 1951 kosten, womit der hauseigene Rekord vom November 2009 (Vollmond, 1953-54, 100.000/128.500) gebrochen werden konnte.

Insgesamt schlug sich der Saisonauftakt an der Freyung mit einer Verkaufsquote von 70 Prozent und einem Einspielergebnis von 5,9 Millionen Euro zu Buche. (kron, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 06./07.03.2010)