Bagdad - Nach dem Zusammenbruch der irakischen Führung brodelt die Gerüchteküche um den Verbleib von Saddam Hussein. Ist der Staatschef noch am Leben, und wenn ja, wo hält er sich auf? Gesicherte Informationen darüber lagen am Donnerstag zunächst nicht vor, ebenso wenig wie in den Tagen und Wochen zuvor.

RÜCKZUG NACH TIKRIT: Schon früher zog sich Saddam Hussein in schweren Zeiten in seine Hochburg am Tigris zurück, wo er auf treue Anhänger zählen kann. Mehrere schwer befestigte Bunker könnten ihm in der 170 Kilometer nördlich von Bagdad am Tigris gelegenen Provinzhauptstadt eine letzte Zuflucht bieten. Das Pentagon teilte am Donnerstag mit, mehrere konventionelle Bomben mit ungeheurer Zerstörungskraft (MOAB) würden in die Golfregion verschifft. US-Kampfflugzeuge bombardierten eine Radarstellung südwestlich von Tikrit. Ein arabischer Sender berichtete, die Republikanischen Garden hätten Stellung um die Stadt bezogen.

FLUCHT NACH SYRIEN: Schon seit Kriegsbeginn halten sich hartnäckig Gerüchte, dass sich Saddam Hussein die irakische Botschaft in Damaskus als Rückzugsort ausgesucht hat. Genährt wurde diese Version durch Zeitungsberichte, seine Frau halte sich dort auf. Eine Bestätigung war dafür jedoch nie zu erhalten. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gab den Spekulationen neue Nahrung, als er am Mittwochabend erklärte, "führende Vertreter des Regimes" seien auf dem Weg nach Syrien. In der irakischen Vertretung in Damaskus gingen am Donnerstag weder Geschäftsträger Mohammed Rifaat el Ani noch sein Berater ans Telefon.

BUNKER IN BAGDAD: In der Hauptstadt verfügte Saddam Hussein über ein ausgedehntes Tunnelsystem und über einen atomsicheren Bunker. Allerdings wurden Teile des Tunnelsystems bereits von den US-Truppen entdeckt. Auch der Palast der Republik, unter dem sich vermutlich ein Bunker befindet, wurde bereits gestürmt. US-Verteidigungsminister Rumsfeld hielt es am Mittwochabend dennoch für möglich, dass Saddam Hussein "irgendwo in einem Tunnel kauert, damit er nicht geschnappt wird". Damit könnte aber natürlich auch ein Bunker in Tikrit oder anderswo gemeint sein. Der Sender Al Jazeera verbreitete am Donnerstag zeitweise, Saddam Hussein habe sich in einer Moschee in Bagdad verbarrikadiert.

TOD BEI LUFTANGRIFF: Seit ein B-1-Bomber am Montag ein Gebäude im Wohnviertel El Mansur zerstörte, in dem der irakische Staatschef vermutet wurde, gab es kein Lebenszeichen mehr von Saddam Hussein. Manche verfechten deshalb die These, er sei bei dem gezielten Angriff getötet worden. Hingegen sind irakische Oppositionelle überzeugt, dass er und mindestens einer seiner Söhne die Attacke überlebten. Widersprüchliche Informationen dazu kommen aus Geheimdienstkreisen.

RUSSISCHES ASYL: Für Gerüchte, Saddam Hussein habe sich bei dem Angriff in die nahegelegene russische Botschaft geflüchtet, gab es nie weitere Anhaltspunkte. Verbreitet wurden sie vom libanesischen Parlamentspräsidenten Nabih Berri. Das russische Außenministerium dementierte in aller Form. Allerdings wurde schon vor Kriegsbeginn spekuliert, Moskau habe Saddam Hussein vorgeschlagen, freiwillig abzutreten und in Russland ins Exil zu gehen. (APA)