VgT-Obmann Martin Balluch erläuterte die Arbeit von Tierschutzaktivisten. Eine "Doppelstrategie" habe es nie gegeben.

Foto: Standard/Robert Newald

Am Nachmittag konnten dann die Aktionen der Aktivisten in aller Ruhe erläutert werden.

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Wiener Neustadt - "Ich werde das Verhandlungstempo reduzieren" , erklärt Richterin Sonja Arleth nach der Mittagspause, sichtlich um Deeskalation im Tierschützerprozess bemüht. Denn Donnerstagvormittag drohte die Stimmung im Schwurgerichtssaal von Wiener Neustadt mehrfach zu kippen - etwa wenn die Richterin während der Beantwortung von Fragen durch den Erstangeklagten Martin Balluch gleichzeitig im Akt Zitate für die nächste Frage suchen ließ. "Bli bla blu - ich glaub, Sie hör'n nicht zu" , unterbrach sich Balluch selbst, die ungeteilte Aufmerksamkeit abwartend.

Das zentrale Thema zum Beginn der Einvernahme des Obmanns vom Verein gegen Tierfabriken (VgT): Hatte er intensive Kontakte zu Vertretern der radikalen britischen Tierschutzorganisation Animal Liberation Front (ALF)? Darauf beruht die These der Staatsanwaltschaft, dass die angeklagten Vertreter der Tierschutzszene nach britischem Vorbild eine "Doppelstrategie" organisiert hätten: Legale Aktionen wie Demonstrationen auf der einen - und illegale wie Brandanschläge auf der anderen Seite. Balluch verneinte das dezidiert: "Zu 99,9 Prozent werden unsere Kampagnen ohne illegale Begleiterscheinungen durchgeführt. Offensichtlich besteht die ‚Doppelstrategie‘ darin, dass man sich mit legalen Strategien begnügt."

Und jenes Heft, das bei einer Mitangeklagten gefunden wurde, in dem eine anonyme Aktivistin berichtet, wie sie ALF-Mitglied wurde - "mein erster und wichtigster Schritt war die Erkenntnis, dass ich die ALF war" -, um dann im Alleingang ein Fastfood-Lokal zu beschmieren? "Das ist doch der Beweis, dass es sich um Einzeltäter handelt" , sagte Balluch. "Ich würde sagen: Case closed."

Warum Balluch einen Vortrag bei einer Veranstaltung gehalten habe, bei der auch Keith Man gesprochen hat, wollte Richterin Arleth wissen. Man war Anfang der 90er-Jahre in Großbritannien wegen Brandstiftung verurteilt worden. Balluch erklärte: Es sei eine Einladung der grünen Bildungswerkstatt gewesen, und die Veranstaltung habe das ‚Tier als Subjekt‘ zum Thema gehabt.

Am Nachmittag dann bei deutlich entspannter Stimmung der erste konkrete Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Das "Auskundschaften" von Tierfarmen in Skandinavien - um laut Anklage Anschläge wie Tierbefreiungen vorzubereiten. Balluch betont, dass er nur zu Dokumentationszwecken dort gewesen sei, um in Österreich den Menschen das Tierleid zeigen zu können. Zum Beweis wird auf Wunsch der Verteidigung eines der damals aufgenommenen Videos gezeigt. Man sieht Silberfüchse, die in Käfigen nervös hin- und herzischen, Nerze, die durch die Gitter ihrer Käfige hindurch nach dem Nahrungsbrei schnappen müssen. Richterin Arleth erkundigt sich ausführlich über das Verhalten der Tiere.

Wie Balluch zu Nerzbefreiungen stehe, will Arleth wissen. "Ich würde sie problematisieren. Aber ich habe auch von Befreiungen gehört, wo man die Tiere einzeln freilässt." Das fände Balluch in Ordnung. Grundsätzlich sei er aber für Aktionen, die ohne Sachbeschädigung möglich seien.

Zweiter Vorwurf: Das Auskundschaften einer heimischen Legehennen-Batterie. Wie Balluch eingestiegen sei? "Ohne Sachbeschädigung." Arleth: "Und wie geht das?" Balluch: "Das möchte ich wenn möglich nicht sagen, damit ich's weiter machen kann."

Staatsanwalt Wolfgang Handler zitiert aus einer Telefonüberwachung, wo von "offenen Befreiungen" und "offenen Lagerfeuern" die Rede ist - aber wo auch während des Gespräches mit "Achtung Staatssicherheit" gescherzt wird. "Wir wussten ja bereits, dass wir abgehört werden. Hier ist das ein Witz. Aber ich habe schon offene Befreiungen gemacht, die von Medien dokumentiert wurden. Ein paar Hühner." Balluch wurde damals wegen mangelnder Strafwürdigkeit freigesprochen.

Dieser Prozess, in dem die Aktivisten als Teil einer Kriminellen Organisation angeklagt sind, wird mit weiteren Einvernahmen fortgesetzt. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 5. März 2010)