Beinahe acht Jahre ist es bereits her, dass sich das GNOME-Projekt seinen letzten großen Versionssprung gegönnt hat: Im Juni 2002 wurde GNOME 2.0 veröffentlicht und brachte damals massive Veränderungen für den Linux-Desktop mit sich: Ein großer Teil der Basistechnologien wurde neu geschrieben, zahlreiche neue Funktionen und Anwendungen kamen hinzu. Ein Unterfangen, mit dem man die Basis für die kommenden Jahre legen sollte, das allerdings auch durch erhebliche Verzögerungen gekennzeichnet war, GNOME2 erschien schließlich mehr als ein Jahr später als ursprünglich erhofft.

Lehrreich

Probleme aus denen man rasch seine Lehren zog, in Folge sollte GNOME mit einer beinahe schon verblüffenden Zuverlässigkeit alle sechs Monate eine neue Version der eigenen Softwarezusammenstellung veröffentlichen. Neue Features wurden nach und nach eingeführt, weitere Programme kamen mit praktisch jeder Release hinzu. Ein System, das natürlich auch so seine Schattenseiten hat, schleppt GNOME doch bis heute einige veraltete Technologien mit sich herum, die man selbst schon längst nicht mehr als zeitgemäß ansieht.

GNOME3

Also entschloss man sich im Sommer 2008 zum großen Schnitt: Mit GNOME 3.0 sollen im Herbst 2010 - konkret visiert man derzeit den 29. September für die Veröffentlichung an - zahlreiche Komponenten in die wohlverdiente Softwarepension geschickt werden, das grafische Toolkit GTK+, das die Basis von GNOME bildet, soll dabei ebenfalls aufgeräumt werden. Gleichzeitig will man den Versionssprung aber auch dazu nutzen, um die Bedienungskonzepte der eigenen Software grundlegend zu hinterfragen, eine neue User Experience einzuführen, Änderungen an bestehenden Programmen vorzunehmen und den Look zu überarbeiten. Vor kurzem haben sich die DesignerInnen des GNOME-Desktops zu einem Usability-Hackfests in London getroffen und dabei die Pläne für GNOME 3.0 weiter präzisiert, sowie gleich Ideen für darüber hinaus gehende Verbesserungen am Desktop geschmiedet. Ein guter Anlass, einen aktuellen Blick auf den Entwicklungsstand von GNOME3 zu werfen, und die weiteren Vorhaben etwas ausführlicher zu skizzieren.

Montage: Andreas Proschofsky / Grafiken: Hylke Bons, Jakub Steiner, Andreas Nilsson

Die Kernkomponente der neuen User Experience von GNOME3 stellt die GNOME Shell dar, eine zunächst vornehmlich von Red Hat vorangetriebene Neuentwicklung, die mittlerweile aber auch substantielle Beiträge aus der Community erfährt. Die dahinter stehenden Konzepte hat man in zahlreichen Iterationen verfeinert, und in einem ausführlichen Design-Papier [PDF] zusammengefasst. Freilich verdeutlich nichts die Ansätze der GNOME Shell besser als sie selbst auszuprobieren, die offene Entwicklung im Source-Code-Repository des Projekts erlaubt hier sich einen tagesaktuellen Überblick zu verschaffen.

Panels

Einmal gestartet ersetzt die GNOME Shell diverse Kernkomponenten des bisherigen Desktops: Allen voran das GNOME-Panel samt dem zugehörigen Startmenü und diversen Applets, zusätzlich kommt statt dem gewohnten Fenstermanger Metacity die auf der 3D-Bibliothek Clutter basierende Weiterentwicklung Mutter zum Einsatz. Auf den ersten Blick sieht so ein GNOME-Shell Desktop trotzdem nicht viel anders als GNOME 2.x aus. Das Redesign des oberen Panels sowie die vollständige Entfernung des unteren - samt der dort bislang befindlichen Task-Liste - ist hier wohl noch die auffälligste Neuerung.

Auslöser

Der Umfang der Neuerungen offenbart sich allerdings bei der Aktivierung des "Activities-Overviews", der wahlweise durch das Anklicken des entsprechenden Knopfs, den Druck der "Windows"-Taste oder das Schieben des Mauszeigers in die linke obere Ecke  aufgerufen werden kann. Öffnet sich dann doch ein Übersichtsmodus, der gleich eine ganze Reihe von Aufgaben übernimmt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

So werden zunächst einmal in der linken Spalte die wichtigsten Anwendungen für den Schnellzugriff präsentiert. Diese Ansammlung lässt sich nach Belieben umgestalten, alle installierten Anwendungen können über einen Klick auf die "Applications"-Zeile eingeblendet und per Drag & Drop in die Liste der eigenen Favoriten hinzugefügt weren. Gerade geöffnete Anwendungen sind dezent grau hinterlegt, über einen Rechtsklick auf das Icon können auch auf diesem Weg einzelne Fenster eines Programms ausgewählt oder ein zusätzliches Fenster geöffnet werden.

Orte

Unter dieser "App Well" genannten Abteilung werden die wichtigsten Orte aufgelistet, also Geräte und Bookmarks wie sie auch im Sidebar des File Manager Nautilus zu finden sind. Das Aushängen von Wechseldatenträgern oder aktiven Netzwerk-Mounts kann hier ebenso direkt vorgenommen werden. Die dritte große Abteilung bildet die Liste der zuletzt benutzten Dokumente, ähnlich wie bei den Applications kann hier über einen Klick noch etwas ausführlicher in der Vergangenheit gegraben werden.

Suchen

All dies wird von einem Suchfenster ergänzt, das Anwendungen, Orte und Recent Documents gleichermaßen durchforstet. Praktischerweise ist dieses beim Aufruf des Overlays automatisch fokusiert, wer gern per Tastatur arbeitet, kann also vom Desktop ausgehend einfach die Windows-Taste drücken und die ersten Buchstaben der gesuchten Anwendung eintippen, um sie dann per Return-Taste flott zu starten - ähnlich einer auf die absoluten Basics reduzierten Version von GNOME Do. Bleibt zu hoffen, dass die GNOME Shell in Zukunft hier auch die Vorlieben der NutzerInnen "lernt", um noch flotter auf Eingaben reagieren zu können.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Den Großteil des Bildschirms nimmt in der GNOME-Shell aber die Vorschau auf die aktiven virtuellen Desktops ein. Von Haus aus kommt hier immer nur ein Workspace zum Einsatz, dies lässt sich aber je nach Bedarf dynamisch bis zu 16 Stück ergänzen. 

Overview

Die Repräsentation der offenen Programme ist dabei äußerst übersichtlich - und auch optisch durchaus ansprechend -  gelungen, sind mehrere Anwendungen auf einem Desktop offen, werden diese nebeneinander präsentiert. Mit dem Mausrad lässt sich an einzelne Fenster näher heranzoomen, ein Klick darauf verlässt das Overlay und bringt das entsprechende Programm in den Vordergrund. Zusätzlich können Programme zwischen den Workspaces per Drag & Drop verschoben weren, neue Anwendungen lassen sich gezielt aus dem "App Well" auf eine bestimmte Oberfläche ziehen und so dort öffnen.

Wahlweise

Die vorhandenen Workspaces lassen sich dabei in zwei verschiedenen Darstellungsmodi überblicken, neben dem oben abgebildeten Grid, gibt es auch eine lineare Ansicht (siehe Bild davor). In dieser wird immer nur eine Oberfläche auf einmal dargestellt, der Wechsel erfolgt dann entweder über kleine Icons darunter, einen Schiebebalken oder die Nutzung des Mausrads.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für den schnellen Wechsel zwischen den geöffneten Anwendungen bedarf es aber nicht notwendigerweise eines Aufrufs des Overlays. Wie schon von früheren Versionen gewohnt, kann mit der Tastenkombination Alt+Tab eine Schnellauswahl aufgerufen werden. 

Konzeptionelles

Hier zeigt sich auch ein weiterer entscheidender Unterschied der GNOME Shell zu dem Interface von GNOME 2.x - das grundlegende Konzept ist Anwendungs- und nicht Dokument/Fenster-orientiert. Im konkreten Beispiel bedeutet dies, dass mehrere Fenster eines Programms unter dem Programm-Icon zusammengefasst werden, darunter erlaubt dann eine Miniaturvorschau eine weitere Differenzierung.

Übergreifend

Und noch ein Unterschied: Der Alt+Tab-Switcher funktioniert Workspace übergreifend, es werden also wirklich sämtliche geöffneten Programme dargestellt. Dabei werden allerdings Programme auf dem gleichen Desktop und jene auf anderen durch eine dünne graue Linie getrennt ausgewiesen. Auch die Reihung der Programme auf der Liste folgt diesem Ordnungsprinzip, dies ist deswegen wichtig, da so ein ganz kurzes Alt+Tab immer zwischen den Programmen am gerade aktiven Desktop wechselt und nicht wild in der Gegend herumspringt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein weiteres zentrales Konzept der GNOME Shell ist das neue Benachrichtigungssystem, das mit dem konzeptionellen Mischmasch in diesem Bereich aufräumen soll. Der bisher für verschiedenste Dinge genutzte rechte Teil des Top-Panels soll künftig wirklich nur mehr für Status-Nachrichten - also etwa Akku-Ladestand, Netzwerkverbindung oder Lautstärke - genutzt werden - während alle temporären Informationen ans untere Ende des Bildschirms wandern.

Manueller Aufruf

Aktuelle Nachrichten werden wie gewohnt kurz eingeblendet, wer den Mauszeiger umgehend über die Benachrichtigung bewegt, kann dann gleich mittels Mausclick zum Aufmerksamkeit einfordernden Programm wechseln. Nach ein paar Sekunden verschwinden die Benachrichtigungen automatisch wieder, für alle Ewigkeit verloren sind sie damit freilich nicht: Mit einer Mausbewegung in die untere rechte Ecke wird eine Auflistung der zwischenzeitlich verpassten Mitteilungen eingeblendet.

Fenster

Zusätzlich zu den bisher schon vom notification-daemon oder (bei Ubuntu) von notify-osd dargebotenen Nachrichten informiert die GNOME-Shell-Lösung auch darüber, wenn Fenster Aufmerksamkeit verlangen. Also etwa wenn durch das Klicken auf einen Link im Mail-Programm ein neuer Tab in einem bereits geöffneten Webbrowser aufgemacht wurde. Oder auch wenn ein Bild in den andernorts laufenden GIMP importiert wurde. Ein Klick auf die Benachrichtigung führt dann automatisch zum entsprechenden Workspace.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zwei kleine Details noch: Neben dem Activities-Knopf gibt es einen Eintrag, der über das aktuell im Vordergrund befindliche Programm informiert, das Ganze ist grafisch recht nett mit einer vergrößerten Version des zugehörigen Icons hinterlegt. Gerade startende Programme sollen hier künftig mit einer kleinen Animation gekennzeichnet werden, außerdem denkt man darüber nach in späteren GNOME-Shell-Versionen den Zugriff auf zentrale Anwendungsfunktionen wie "Quit" hierher zu verlegen. In der Mitte des Panels gibt es die gewohnte Desktop-Uhr, ein Klick darauf fördert einen Mini-Kalender zu Tage, die von GNOME 2.x gewohnte Auflistung anstehender Tasks vermisst man hier derzeit allerdings noch.

Technik

Durchaus interessant sind auch die Grundlagen der GNOME Shell: Geschrieben ist das ganze nämlich vornehmlich mit Web-Technologien wie Javascript und CSS, eine Entscheidung mit der man die Zugangshürden zur Entwicklung - und zum Design der Oberfläche - senken will. Auf die Geschwindigkeit der Darstellung hat diese Entscheidung übrigens keine Auswirkung, da hierfür die von Intel - in C - entwickelte 3D-Bibliothek Clutter zum Einsatz kommt. Für EntwicklerInnen ist mit Looking Glass eine eigene Javascript-Konsole fix integriert, außerdem sind bereits die Anfänge eines Erweiterungssystems in den aktuellen Versionen der GNOME Shell zu finden.

Funktionell

Auch wenn so manches Feature derzeit noch nicht vollständig implementiert ist, der Look noch Feinschliff braucht (und auch bekommen soll, siehe etwa die GNOME3-Mockups auf der folgenden Seite) und die Usability-Tests erst richtig ins Laufen kommen, funktioniert die GNOME Shell im aktuellen Zustand doch bereits verblüffend gut. Die Alltagsnutzung birgt dabei auch die eine oder andere interessante Erkenntnis: So kommt dem Desktop in GNOME3 schlicht weniger Bedeutung zu, da ein Teil der Funktionalität ohnehin in der Shell angeboten wird. Auch die Nutzung der Anwendungen im "maximierten" Zustand bietet sich geradezu an - etwas das konzeptionell bei der Shell übrigens auch durchaus so gedacht ist. In Zukunft will man diese Tendenz noch durch laufende Verbesserungen am Window Manager - etwa mit der Möglichkeit zwei Fenster automatisch nebeneinander anzuordnen - weiter fördern.

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Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit der Einführung der GNOME Shell verschieben sich natürlich auch die Aufgaben anderer Desktop-Komponenten, allen voran des File Manager Nautilus, steht doch so manche seiner bisherigen Aufgaben - etwa das Aufspüren aktueller Dokumente und das Device-Management - nun flotter im Activities Overview zur Verfügung. Insofern will man den Nautilus für GNOME 3.0 stärker auf seine Kernaufgaben fokussieren - das Management von Dateien selbst.

Umstellungen

Schon mit GNOME 2.30 wird es hier einige Änderungen geben, so ist etwa der "Browser"-Modus des Nautilus nun die Default-Einstellungen - eine Änderung, die allerdings die wenigsten bemerken werden, haben Ubuntu, openSUSE und Co. doch diese Änderung schon bislang in den von ihnen ausgelieferten Desktops vorgenommen.  Auch mit der Reduktion des Interfaces hat man mittlerweile begonnen, bis GNOME 3.0 soll hier aber noch weiter gefeilt werden, so dass die UI-Elemente deutlich weniger Platz als bisher noch verschwenden sollen. Einen ersten Eindruck der Pläne vermitteln - noch recht rohe - Mockups vom Usability-Hackfest (oben im Bild), grafisch etwas ausformulierter ist der unabhängig erstellte Vorschlag von Ian Cylkowski.

Funktionen

Stärker herausstreichen will man hingegen die Suchfunktionen und die Sharing-Möglichkeiten, auch eine zentrale Undo-Funktion ist auf der aktuellen Planungsliste. Verschwinden könnten hingegen gleich wieder ein Feature, das man mit GNOME 2.30 gerade erst einführt: Die Split-Ansicht hält man für eine Notlösung, sinnvoller wäre wohl die automatische Anordnung von 2 Fenstern nebeneinander - wie es etwa bei Windows 7 der Fall ist - so das Verdikt der DesignerInnen des Projekts.

Mockup: Allan Day / Karl Lattimer

Bislang sind die Einstellungen bei GNOME in eine Fülle von Einzel-Tools aufgeteilt, eine Situation mit der man beim Projekt schon länger nicht so recht zufrieden ist. Mit GNOME3 soll es auch hier eine Änderung geben: Künftig werden alle Settings in einem einzelnen Fenster zusammengeführt - ähnlich wie es etwa bei Mac OS X oder KDE der Fall ist.

Single Window

Zusätzlich will man die bisherigen Dialoge gleich einer generellen Überprüfung unterziehen, schauen welche Einstellungen tatsächlich für die breite Masse der NutzerInnen Sinn machen - und welche eben nicht. Der gern einmal geäußerten Kritik, dass GNOME immer wieder mal essentielle Einstellungsmöglichkeiten entfernt, will man mit der Erstellung eines neuen Tools namens "GNOME Plumbing" begegnen.

Der Super Mario des Desktops

Darin sollen dann all die zusätzlichen Funktionen versammelt werden, die Power-NutzerInnen gern für die weitere Anpassung ihres Desktops reklamieren. In der Ankündigung von GNOME Plumbing gesteht man ein, dass man eigentlich darauf gehofft hatte, dass ein solches Tool - das ja eigentlich nur ein "hübscheres" Interface für den gconf-editor ist - aus den Reihen jener, die immer wieder lautstark die Entfernung von Optionen beklagen, entwickelt wird. Dies sei allerdings bislang leider nicht passiert, insofern will man diese Lücke für GNOME 3.0 nun selbst schließen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Passend zur Veröffentlichung einer neuen Softwaregeneration will man dem Desktop mit der Version 3.0 auch gleich eine optische Generalüberholung verpassen. Im Rahmen des Usability Hackfests haben die GNOME-Designer Jakub Steiner (Novell) und Hylke Bons (Intel) an ersten Entwürfen für neue Themes gearbeitet, das oben stehende Bild ist entsprechend noch als Mockup zu verstehen - die Implementation muss erst folgen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Dazu passend wird das GNOME-Icon-Theme derzeit generalüberholt, neben einigen neuen Entwürfen stechen dabei vor allem die hochauflösenden Icon-Größen mit 256x256 Pixel hervor, die vor allem beim Alt+Tab-Switcher der GNOME-Shell so richtig zur Geltung kommen. Mit etwas Glück könnten die Hires-Icons übrigens schon in GNOME 2.30 landen - ganz sicher ist das derzeit allerdings noch nicht.

Reduziert

Während man auf der einen Seite immer komplexere Icons zeichnet, will man an anderer Stelle auf Reduktion setzen: Für On-Screen-Einblendungen und Status-Anzeigen denkt man über die Verwendung des monochromen Moblin-Icon-Sets nach, die Idee dahinter ist auch, dass sich die Farbe der Icons automatisch an das umgebende GTK-Theme anpasst bzw. optimal davon abhebt.

>> Weiter geht es auf der nächsten Seite mit Zeitgeist und aktuellen Konzepten zur weiteren GNOME-Zukunft

Screenshot: Andreas Proschofsky

In der Vergangenheit immer wieder mal als zentrale Komponente für GNOME3 genannt wurde Zeitgeist, ein Service, der die Aktivitäten der NutzerInnen - vom Besuch von Webseiten über IM-Konversationen bis zu geöffneten Dateien - festhält. Dabei wird neben dem Zeitpunkt auch die Nutzungsdauer aufgezeichnet, Informationen, die dann anderen Anwendungen zur Verfügung gestellt werden können. Zusätzlich kann Zeitgeist diese Informationen noch weiter auswerten, um etwa Beziehungen zwischen einzelnen Objekten zu analysieren und Nutzungsmuster festzustellen. 

Aufzeichnung

Eines der Einsatzszenarien sieht man in einem alternativen Zugriff auf die eigenen Dateien: Oft können sich NutzerInnen eher daran erinnern, wann sie ein Dokument bearbeitet haben, als an welcher Stelle dieses schlussendlich auf der Festplatte gelandet ist - so die Überlegung. Mit dem GNOME Activity Journal hat man entsprechend ein grafisches Frontend für Zeitgeist gebastelt, das die gesammelten Informationen anhand einer Zeitlinie ausgibt - und so auch eine recht gute Nachlese der eigenen Desktop-Aktivitäten erlaubt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Trotz des unumstrittenen Potentials von Zeitgeist, ist derzeit aber noch immer nicht so ganz klar, an welcher Stelle dieses seinen Einzug in GNOME3 finden könnte. Eine Minimal-Möglichkeit wäre, dass die Zeitgeist-Informationen die jetzige Liste der  "Recent Items" in der GNOME Shell ersetzen könnte, darin wird immerhin bereits gearbeitet.

Aufräumen

Nicht unerwähnt soll auch der aktuelle Stand der Entfernung veralteter Komponenten bleiben - immerhin war dies ja die ursprüngliche Motivation für die Pläne zu GNOME 3.0. Dabei hat man in den letzten Monaten erhebliche Fortschritte gemacht, der allergrößte Teil der Komponenten kommt nun ohne libgnome|ui, libglade, Bonobo und Co. aus, freilich gibt es auch hier noch Problembereiche. Am meisten Kopfzerbrechen bereiten den EntwicklerInnen derzeit die diversen Tools aus dem Bereich Barrierefreiheit. Dies nicht nur weil diese bislang stark auf das nun ausgemusterte Komponentenmodell Bonbo gesetzt haben, sondern auch, weil Oracle nach der unlängst erfolgten Sun-Übernahme gleich mehrere der bisher mit der GNOME-Accessibility betrauten EntwicklerInnen gefeuert hat. In wenigen Wochen soll hier ein Hackfest weitere Fortschritte und einen aktuellen Stand bringen.

DConf

Während der Großteil der Umbauarbeiten an der Codebasis eigentlich schon mit GNOME 2.30 ausgeliefert wird, hat man sich für den bevorstehenden 3.0-Zyklus noch einen größeren Brocken Arbeit zusätzlich aufgehalst: Das immer wieder kritisierte Konfigurationssystem GConf soll durch das modernere DConf abgelöst werden - eine Änderung, die praktisch alle Komponenten des Desktops betrifft.

Panel als Ersatz

Übrigens wird derzeit auch das bisherige GNOME Panel fit für die kommende Desktopgeneration gemacht. Dies hat einen simplen Grund: Die GNOME Shell benötigt funktionstüchtige 3D-Unterstützung für ihr effektreiches Interface, auf Rechnern wo diese nicht vorhanden ist, wird man also auch weiterhin auf das bisherige Panel zurückgreifen können. Eine langfristige Garantie für die Weiterentwicklung des GNOME Panel gibt man allerdings explizit nicht ab, sollte es gesteigertes Interesse für eine Fortführung geben, hofft man auf neue EntwicklerInnen aus der Community.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für die Aufnahme in GNOME 3.0 vorgeschlagen wurde bereits der GNOME Color Manager, ein neues Tool, das endlich ein zentrales Farbmanagement für Bildschirm, Drucker und Scanner bringen soll. Geht alles gut, sollte die nötige Unterstützung gar in GTK+ selbst wandern, GNOME-Anwendungen diese also von Grund auf unterstützen.

Hackfest

Zum Abschluss noch ein Blick zurück auf das Eingangs schon erwähnte Usability-Hackfest. Hat man hier doch auch Brainstorming für etwas weiter in der Zukunft liegende Umbauten der User-Experience betrieben und in einem Design-Papier zusammengefasst. Vorab: Vieles des darin beschriebenen ist noch in einem recht rohen Zustand, der Großteil wird wohl erst für spätere GNOME3-Versionen (3.2 / 3.4)fertig werden, so manches überhaupt ganz gestrichen werden. Trotzdem sind - hinter einer von beeindruckender Begeisterungsfähigkeit getragenen Sprache des GNOME-Veterans Seth Nickell - doch durchaus spannende Ansätze enthalten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine der vielversprechendsten Ideen ist dabei jene des sogenannten "Task Poopers". In diesem sollen am unteren Bildschirm - in einem versteckten Panel - alle möglichen Aufgaben zur späteren Bearbeitung abgelagert werden können. Die Bandbreite reicht dabei von Bildern und Dokumenten bis zu Kontakten und Mails, später einmal sollen hier auch ganze Workspace- und Programmkombinationen landen können.

Sammlung

Die einzelnen Aufgaben werden dann zum vereinbarten Zeitpunkt eingeblendet, worauf sie entweder direkt von den NutzerInnen geöffnet oder auch weiter auf die lange Bank geschoben werden können. Wird die Erinnerung hingegen ignoriert, wandert der betreffende Task in ein Archiv, auf diese Weise soll das Zumüllen mit endlosen Listen von Aufträgen verhindert werden. In diesem Archiv ist dann zwar weiterhin alles auffindbar, die NutzerInnen werden aber nicht mehr aktiv auf die Dringlichkeit hingewiesen.

Mausvorhersage

Eine weitere Idee nennt sich "Mouse Target Prediction": Die Überlegung dabei ist, dass sich gewisse Eingaben der NutzerInnen über Geschwindigkeit und Richtung des Mauszeigers recht exakt vorher sagen lassen, so soll dann etwa der Task Pooper nur dann eingeblendet werden, wenn die NutzerInnen auch tatsächlich mit der Maus auf dem Weg dorthin sind. Gängige Lösungen setzen üblicherweise auf das simple Auslesen der Mauposition, was allerdings zwei entscheidende Nachteile birgt: Einerseits ergibt sich automatisch eine gewisse Verzögerung (Maus hinbewegen > warten bis das Panel eingeblendet wird), zusätzlich wird das versteckte Objekt auch dann eingeblendet, wenn der Mauszeiger nur "zufällig" an dieser Stelle ruht. Mit einer Vorhersage können man hingegen einen wesentlich flüssigeren und störungsfreien Ablauf gewährleisten. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 07.03.10)

Mockup: Seth Nickel