Standard: Tarantino arbeitet mit einem mehrheitlich deutschsprachigen Cast. Gemeinsam mit diesem erobert er für das NS-Genre neue Zusammenhänge. Das bedeutet auch, dass "Inglourious Basterds" solche Produktionsverhältnisse widerspiegelt und sie gleichzeitig transzendiert.
Waltz: Unbedingt. Auf allen Ebenen erzählt der Film das mit. Deswegen ist es auch so eine runde Sache. Es erzählt dasselbe von vielen, vielen Leuten. Für mich ist "Inglourious Basterds" deswegen auch keine Geschichtsklitterung. Genau unter diesem Aspekt ist der Film erst zwingend und prachtvoll gelungen.
Standard: Der Aspekt, Geschichte als Wunscherfüllung zu betreiben, ist politisch brisant, schließlich wird hier mit Pulp und B-Movie-Versatzstücken gegen eine bestimmte Tendenz im Kino mobilgemacht. Das hat vor Tarantino nur Paul Verhoeven in seinem Film Schwarzbuch vergleichbar unternommen.
Waltz: Verhoeven hat sich zumindest die Form einverleibt. Doch Tarantino macht das umfassender, auch auf einer inhaltlicher Ebene. Die Form hat für sich allein ja noch keine Eigenständigkeit. Die deutschen NS-Filme sind in der Regel ja keine Erzählungen mehr, das sind Statements - und als solche abzulehnen.
Standard: Wie definieren Sie Statements?
Waltz: Es handelt sich um ein Zur-Kenntnis-Bringen dessen, auf welcher Seite die Beteiligten stehen. Ein Zur-Verfügung-Stellen dieser Seite, mit der Absicht, dass man sich ihr anschließen kann. Wir wissen das doch alles - die historischen Details kennen wir. Zu behaupten, man müsse den jungen Menschen mitteilen, dass Hitler ein Mensch war - wozu? Warum?