Steuerexperte Erich Wolf: "Steuerhinterziehung ist weder ein Kavaliersdelikt noch eine lässige Sache. Sie muss mit den gebotenen gesetzlichen Mitteln verfolgt werden."

Foto: Consultaltio

Seit dem Auftauchen einer CD mit Schweizer-Steuerdaten geht die Angst unter den Steuersündern um. Tausende Selbstanzeigen in Deutschland sind die Folge. Warum sich in Österreich "reuige Schafe" nicht zu fürchten brauchen und Panik kontraproduktiv ist, erklärt Steuer-Experte Erich Wolf im derStandard.at-Gespräch.

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Bei dem einen oder anderen Steuersünder in Deutschland dürften derzeit die Nerven blank liegen. Besonders kritisch wird's, wenn es zeitig in der Früh an der Tür klingelt. Seit eine CD mit gestohlenen Schweizer Bankdaten in Baden-Württemberg zum Kauf angeboten wurde, müssen Betrüger mit unangenehmen Besuch zu Hause rechnen, wobei die Steuerfahnder oft nicht zimperlich  vorgehen, wie das Beispiel des ehemaligen Deutsche-Post-Chefs Klaus Zumwinkel - ziemlich genau vor zwei Jahren - zeigt: Vor laufenden Kameras durchsuchen die Behörden das Haus des Managers und tragen stapelweise Kartons davon.

Rund 1.700 Namen schwarzer Schafe sollen sich auf der brisanten CD befinden. Tausende haben sich in Deutschland bereits selbst angezeigt - noch bevor das Land die Daten überhaupt angekauft hat. 2,4 Millionen Euro will der Datendieb dafür, 500 Millionen Euro soll sie dem Bund an Steuernachzahlungen bringen.

"Steuerhinterziehung ist weder ein Kavaliersdelikt noch eine lässige Sache. Sie muss mit den gebotenen gesetzlichen Mitteln verfolgt werden", so Steuerexperte Erich Wolf von der Consultatio. Hat ein Steuersünder aus Österreich den begründeten Verdacht, auf der Daten-CD zu stehen, rät Wolf zur Selbstanzeige. Dabei gilt es allen voran, einen ruhigen Kopf zu bewahren und eher einen Fachmann beizuziehen als auf den eigenen Hausverstand zu setzen. Wolf: "In Deutschland wird derzeit mit Panikmache gearbeitet." Für Panik besteht hierzulande jedoch keinerlei Anlass, denn durch §29 Finanzstrafgesetz können selbst die schwersten Steuersünder gänzlich ungeschoren davonkommen.

Vier Kriterien

Wesentlich dafür sind vier Kriterien: Punkt eins, die tätige Reue: Im Bereich des Steuerrechts ist damit die sofortige Entrichtung der ausstehenden Abgaben gemeint, wobei die Finanz eine Stundung von zwei Jahren gewähren kann - was Verhandlungssache ist. Weiters ist eine explizite namentliche Täternennung anzuführen. Genau hier liegt oft der Hund begraben, denn der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) interpretiert die Kriterien für eine fehlerfreie (ordnungsgemäße) Selbstanzeige sehr "engherzig und formalistisch". Oft falle es den Betroffenen beispielsweise schwer, sich selbst als "Täter" zu bezeichnen, so Steuerexperte Wolf weiter. Eine Falsch-Benennung als kleinen Irrtum abzutun oder mit Ausreden umschiffen zu wollen, wäre völlig sinnlos und die Straffreiheit nicht mehr gewährt.

Gerade bei den Steuer-CDs ist die Rechtzeitigkeit der Täterbenennung immanent wichtig: Rechtzeitig ist die Selbstanzeige  nur dann, wenn die Straftat von der Finanzbehörde noch nicht entdeckt wurde. Wolf: "Kommen die Daten aus Deutschland nach Östereich, ist die Tat aus Sicht des VwGH noch nicht entdeckt worden - zumindest solange die Finanzstrafbehörde noch kein Verfahren eingeleitet hat, weil sie dem Täter bereits auf der Spur ist. Wer berechtigten Grund zur Sorge hat, sollte rasch handeln." "Gambeln" oder abwarten bringt nichts. "Es gibt nur null oder 100 Prozent, kein Entweder - Oder", so Wolf weiter. Zusätzlich zur Rechtzeitigkeit verlangt das Gesetz noch eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung. Für eine Steuerschuld von bis zu 75.000 Euro sind die Behörden zuständig, bei höheren Summen kommt es zu gerichtlichen Verfahren. Das Strafausmaß kann dabei bei mehr als zwei Jahren Haft liegen, wird in Österreich aber so gut wie nie exekutiert.

"Sündenfall Deutschlands"

Trotz dringenden Tatverdachts der Steuerhinterziehung darf der Fiskus weiterhin nicht auf heimische Kontodaten zugreifen. Wolf: "Für österreichische Staatsbürger gilt das Bankgeheimnis, dieses ist und bleibt bis zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens unantastbar."

Sollte sich die Regierung in Berlin tatsächlich zwielichter Typen bedienen, um Steuersünder auszuheben, wäre das für Wolf ein "echter Sündenfall Deutschlands". Durch den käuflichen Erwerb der CD entstehe neuer Missbrauch, sowie ein neuer Markt zur Beschaffung illegaler Daten. Möglicherweise könnte sich schon bald das Berufsbild des staatlich geprüften Datendiebes etablieren - IT-Spezialisten mit einer stark hinuntergeschraubten Hemmschwelle und dem Hang, komplexe Sicherheitssysteme zu knacken. "Das ist für manche wie ein Sport." Wolf schlägt demnach zweierlei vor:

"In Österreich gibt es nach dem VwGH wenige bis keine Beweisverwertungs-Verbote. Das heißt, kommen die Daten-CDs von Deutschland nach Österreich, gilt dies aus österreichischer Sicht als Zufallsfund, und damit dürfen diese Daten ausgewertet werden. Im europäischen Recht ist dies anders. Um in Europa an den Beweisverwertungs-Verboten vorbeizukommen, muss man vor den EuGH gehen." Nicht zu unterschätzen sei aber auch der Vorstoß zu mehr Fairness und Kooperation: "Keine Behörde hat ein Interesse an langwierigen Machtkämpfen und Verfahren."

Einen Lösungsansatz ganz anderer Art hätte Wolf Josef Pröll anzubieten: Der Finanzminister solle eine Steueramnestie einführen. Reuige Steuersünder hätten damit Gelegenheit, sich wieder in die Legalität hinein zu optieren, und - wie das Beispiel Italien zeige - dem Fiskus würden dadurch erhebliche Steuer-Einnahmen zufließen. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 3.3.2010)