Bild nicht mehr verfügbar.

"Höchstens 2.000 bis 3.000" bosnische Muslime seien in Srebrenica getötet worden, relativiert Karadzic den Völkermord.

Foto: EPA/MICHAEL KOOREN

Den Haag - Der Völkermordprozess gegen den ehemaligen bosnischen Serben-Führer Radovan Karadzic vor dem Haager UNO-Tribunal ist erneut für unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon gab am Dienstag einem Antrag des Angeklagten statt, mehr Zeit für die Vorbereitung auf die Anhörung von Zeugen der Staatsanwaltschaft zu bekommen.

Damit sollte eigentlich am Mittwoch begonnen werden. Der Richter ordnete jedoch an, dass zunächst die Entscheidung der Berufungskammer über den Antrag von Karadzic abzuwarten sei. Er hoffe, dass diese bald vorliegen werde. O-Gon Kwon drückte den Zeugen sein Bedauern aus, die bereits aus Bosnien-Herzegowina nach Den Haag gereist waren und nun wohl wieder zurückkehren müssten.

Karadzic relativiert Srebrenica

Der wegen Völkermordes angeklagte Ex-Serben-Führer Radovan Karadzic hat bestritten, dass bosnisch-serbische Truppen jemals ein Massaker in Srebrenica verübt haben. Alle Berichte über Massenmorde an Muslimen 1995 in der damaligen UNO-Schutzzone seien "maßlos übertrieben" und beruhten zudem auf unbewiesenen Behauptungen, sagte Karadzic am Dienstag vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Das Massaker von Srebrenica mit rund 8.000 Toten gilt allgemein als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

In Wirklichkeit hätten die Serben im Juli 1995 in der Gegend von Srebrenica lediglich auf Angriffe von bosnisch-muslimischen Kampfgruppen reagiert. Bei den Auseinandersetzungen seien "höchstens 2.000 bis 3.000" bosnische Muslime getötet worden, "aber keineswegs 8.372, wie dies auf einem Gedenkstein behauptet wird". Zudem sei es nichts weiter als bösartige Propaganda, zu behaupten, dass die Serben in Srebrenica auch junge Männer grundlos erschossen hätten. "Das waren Kämpfer im Alter von etwa 16 Jahren."

Die Staatsanwaltschaft wirft dem damaligen Präsidenten der bosnischen Serben-Republik (Republika Srpska) vor, neben dem immer noch flüchtigen serbischen General Ratko Mladic die Hauptverantwortung für das Massaker von Srebrenica zu tragen. Das Verbrechen ist von den Vereinten Nationen sowie vom Internationalen Gerichtshof (IGH) als Völkermord eingestuft worden.

Kampflose UN-Soldaten

Nach UNO-Angaben eroberten bosnisch-serbische Truppen die von Muslimen (Bosniaken) bewohnte UNO-Schutzzone am 11. Juli 1995. Ein kleines Kontingent niederländischer Blauhelmsoldaten überließ die Stadt den Angreifern kampflos. Wenige Tage später wurden nach diesen Angaben rund 8.000 überwiegend männliche Muslime von den Serben abgeführt, erschossen und in Massengräbern verscharrt.

Karadzic behauptete nun, viele der später ausgegrabenen Leichen seien vermutlich aus anderen Konfliktgebieten eigens in die Gegend gebracht worden. Er verlangte eine völlig neue Untersuchung, die sich unter anderem auf DNA-Analysen stützen müsse. Serben hätten nur dann Gegner getötet, wenn sie von diesen attackiert wurden. Im Gegensatz zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft habe er seinerzeit sogar eindeutige Befehle gegeben, "keine Rachemorde an Muslimen zuzulassen". (APA/dpa)