Eine Liebe, die nicht hält: Paul Matic, Andrea Eckert.

Foto: Landestheater Niederösterreich / Beck

St. Pölten - Die Liebe spricht ihre eigene Sprache. Und nichts kommt so, wie man es sich vorgestellt hat. Sagt Gertrud, die zentrale Figur im gleichnamigen Kammerspiel, das Johannes Gleim für das Landestheater Niederösterreich inszeniert hat. In Hjalmar Söderbergs Stück aus dem Jahr 1906, in dem der schwedische Autor seine eigene Liebesgeschichte verarbeitete, kreist alles um die Dauerthemen Liebe, Ehe und Trennung.

Andrea Eckert spielt die (neben Ibsens Nora und Strindbergs Fräulein Julie) zu den großen skandinavischen Frauenrollen der Weltliteratur zählende Gertrud ungemein ausdrucksstark. Vor ihrer Ehe eine bejubelte Sängerin, bricht Gertrud aus dem dekadenten Zusammenleben mit einem berechnenden Politiker (Paul Matic) aus. Auf der Suche nach einem Menschen, der sie bedingungslos liebt, gibt sie sich einem jungen Künstler (Patrick O. Beck) hin, muss aber bald erkennen, dass auch für ihn der berufliche Erfolg an erster Stelle kommt.

Verwelktes Laub, vor dem leidenschaftlich geküsst wird, erinnert an Herbst, Vergänglichkeit und Scheitern. Es herrscht eine Besitzliebe: Niemand will alleine sein; nur zur Selbstrettung werden Beziehungen eingegangen. Sämtliche Störungen des menschlichen Miteinanders, das Aneinander-Vorbeireden können aber auch hier nicht am iPhone liegen: Der in Unschuldsweiß gehaltenen Bühne (Gestaltung: Daniela Juckel) streifte man ein modernes Gewand über.

Der vom Leben mitgenommene und geläuterte Dichter sowie Gertruds erste Liebe, Gabriel (Michael Rastl in beeindruckender Manier), komplettiert das illustre Männer-Trio, das als Verkörperung von Gertruds sämtlichen (gescheiterten) Liebesphasen im Leben zu deuten ist. Es war im Endeffekt immer dieselbe Art von Männern, die sie begehrte; Männer, deren Verlangen nach Ruhm größer war als die Liebe zur Frau. So auch Gabriel, der Gertrud nun wieder zurückhaben möchte, um im Herbst des Lebens zu zweit sein zu können.

Sie schlägt ihm jedoch alle Bitten ab. Das Zwiegespräch der beiden, das von grandioser Dichte und Intensität getragen ist, bildet denn auch den Höhepunkt des Abends. Mit einem Ausbruch vollzieht sich schließlich Gertruds Selbsterkenntnis: Die Kraft liegt darin, sich in einer patriarchalen Welt ohne ängstliche Rücksicht zu den eigenen Gefühlen zu bekennen. Das Premierenpublikum spendete großen Beifall. (Sebastian Gilli, DER STANDARD/Printausgabe, 02.03.2010)