Zur Person: Dalia Mogahed (geb. 1974) berät US-Präsident Barack Obama in Islamfragen. Die in Ägypten geborene Wissenschafterin hat einen Sitz im "White House Office of Faith-Based and Neighborhood Partnerships".

Hauptberuflich arbeitet Mogahed als Senior Analyst beim Umfrageinstitut Gallup Center for Muslim Studies. Sie ist gemeinsam mit John L. Esposito Autorin des Buches "Who Speaks for Islam?: What a Billion Muslims Really Think".

Die beiden Autoren haben sechs Jahre lang recherchiert und mehr als 50.000 Muslime aus 35 verschiedenen mehrheitlich muslimischen Ländern befragt.

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Obama im Spiegel der muslimischen Welt: Fernseh-Übertragung der Kairo-Rede des US-Präsidenten spiegelt sich in der Sonnenbrille eines Zusehers in Riad, Saudi-Arabien.

Foto: AP Photo/Hassan Ammar

Dalia Mogahed ist Mitglied des "White House Office of Faith-Based and Community Initiatives" (OFBCI). Sie berät US-Präsident Obama in Islamfragen. Im Gespräch mit derStandard.at erklärt die in Ägypten geborene Wissenschafterin die veränderte Wahrnehmung der USA in der muslimischen Welt, was Obama von Bush unterscheidet und warum es in den USA keine Debatten über Minarett- und Burkaverbote gibt.

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derStandard.at: Hat sich mit der Wahl Obamas zum US-Präsidenten die Wahrnehmung der USA in der muslimischen Welt verändert?

Dalia Mogahed: Nach der Wahl Obamas hat sich die Wahrnehmung der US-Führung in der ganzen Welt verändert - auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaften gab es eine positive Veränderung. Es gab eine weitere Verbesserung nach der Rede in Kairo im Juni vergangenen Jahres.

derStandard.at: Denken Sie die USA haben ihre rassistische Vergangenheit mit der Wahl Obamas zum Präsidenten hinter sich gelassen? Wann könnte der erste Muslim US-Präsident werden?

Mogahed: Wenn ein Land seine Herausforderungen überwindet, geht es um mehr als um die Wahl eines Präsidenten. Es braucht breitere gesellschaftliche Veränderungen, die in Amerika aber seit einiger Zeit passieren. Obamas Wahl ist nicht der Beweis, sondern eher ein Symptom für Veränderungen, die in der Vergangenheit passierten. Es ist schwer zu sagen, wann und ob ein Muslim Präsident der USA wird.

derStandard.at: Eines der Ergebnisse ihrer Studien war, dass Amerikaner eher gewillt sind Vorurteile gegenüber Muslimen zuzugeben als gegenüber anderen Religionen. Warum ist das so?

Mogahed: Die Ursache ist eine Kombination verschiedener Faktoren. Einer davon ist, dass Amerika derzeit gegen zwei Länder mit muslimischen Gesellschaften Krieg führt. Diese Kriege werden medial überproportional aufgegriffen. Amerikanische Fernsehnachrichten berichten mehr über Muslime und den Islam als über jede andere Religion - und die meisten Berichte sind negativ. Die Protagonisten, die solcherart den Islam in den Medien repräsentieren, sind überwiegend militante Vertreter der Religion. Das ergibt eine Situation in der die Medien zumeist in einem negativen Zusammenhang über den Islam berichten.

derStandard.at: Die USA geben vor, die Kriege im Irak und Afghanistan im Interesse von Frieden und Demokratie zu führen. Die muslimische Welt bewundert ihrer Studie zufolge den Westen unter anderem für die Demokratie. Wie werden dann diese Kriege wahrgenommen?

Mogahed: Es stimmt, Muslime auf der ganzen Welt bewundern die Prinzipien der westlichen Demokratie. Die Mehrheit der Muslime glaubt allerdings auch, dass diese Kriege nicht aus demokratiepolitischen Gründen geführt werden, und dass sie mehr Schaden anrichten als Gutes bringen. Gegen diese Kriege zu sein bedeutet aber nicht die Ablehnung von Demokratie.

derStandard.at: Hat der „War against Terror", den Bush nach dem 11. September 2001 ausgerufen hat, zum Anstieg von Vorurteilen gegen Muslime geführt?

Mogahed: Nein. Laut Umfragen waren die Vorurteile gegenüber Muslimen vor 9/11 sogar größer.

derStandard.at: Wie lässt sich das erklären?

Mogahed: Vor 9/11 kam das Wissen über Muslime aus Medienberichten, die den Islam in einem negativen Zusammenhang zeigten. Das war und ist auch nach 9/11 der Fall. Aber weil das mediale Interesse am Islam und Muslimen generell stieg, gab es Berichte, die den Islam in anderen Zusammenhängen zeigten. So stieg das Wissen über diese Religion und das wiederum führte zur Reduktion von Vorurteilen.

derStandard.at: Sie haben auch herausgefunden, dass die Vorurteile gegenüber dem Islam nicht abnehmen, wenn jemand einen Muslim persönlich kennt? Wenn das nicht hilft, was dann?

Mogahed: Bei diesem Punkt muss ich ein bisschen in die Tiefe gehen: Einen Muslim zu kennen bedeutet, dass jemand weniger anfällig für extreme Vorurteile ist. Allerdings heißt es nicht, dass jemand gar keine Vorurteile gegenüber Muslimen oder dem Islam hat, wenn er einen Muslim kennt. Was aber gegen Vorurteile hilft, ist die positive Wahrnehmung des Islams als Glauben. Auch wenn jemand einen Muslim in seinem Bekannten- oder Freundeskreis hat, bedeutet das nicht, dass die Vorurteile gegen den Islam verschwinden. Man geht dann eher davon aus, dass dieser muslimische Bekannte eine Ausnahme sei.

derStandard.at: Und wie ist das Ziel - die positive Wahrnehmung des islamischen Glaubens - zu erreichen?

Mogahed: Ich denke durch Erziehung. Es geht darum, der Öffentlichkeit korrekte Informationen über den Islam zu liefern und den Dialog zu fördern. Außerdem sollten Muslime, die positive Dinge aufgrund ihres Glaubens tun, mehr in den Vordergrund gestellt werden. Wenn die Öffentlichkeit nur von Muslimen hört die negative Sachen aufgrund ihrer Religion tun, wird sich das Bild des Islam nicht verbessern.

derStandard.at: In ihrer Studie kommt heraus, dass die meisten Muslime die Gleichstellung der Geschlechter gut heißen. Wenn das der Fall ist, warum schaut die Realität in vielen muslimischen Ländern anders aus?

Mogahed: Diese Einstellung der muslimischen Öffentlichkeit findet sich, wie so viele andere, nicht in der Realität wieder. Ein Beispiel dafür ist auch die Demokratie. Aber es ist auch notwendig, Fortschritte, die in vielen muslimischen Gesellschaften gemacht wurden, anzuerkennen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten besuchen 90 Prozent der High-School Abgängerinnen die Universität. Die Zahl von Frauen in hohen Regierungsämtern in muslimischen Ländern wächst kontinuierlich und das Bildungsniveau von Frauen stieg in den vergangenen 50 Jahren. Auf anderen Gebieten fehlt freilich noch Fortschritt.

derStandard.at: Die Schweiz hat vor einigen Monaten den Bau von Minaretten untersagt und einige europäische Länder diskutieren ein Verbot von Burkas. Gibt es ähnliche Diskussionen in den USA?

Mogahed: In den USA gibt es meines Wissens keine Diskussion über diese Themen. Es gibt auf der Ebene von Bundesstaaten hier und da Diskussionen über den Hijabs (Kopftücher), aber nichts auf nationaler Ebene.

derStandard.at: Warum ist das in den USA kaum ein Thema?

Mogahed: Ich denke es liegt unter anderem daran wie unterschiedlich Demokratien in Europa und den USA funktionieren. In den USA ist es einfach undenkbar, ein Referendum über Minderheitenrechte zu machen. Natürlich gab und gibt es in den USA auch Schwierigkeiten mit Minderheiten und deren Rechten und es war schwierig diese durchzusetzen. Die Geschichte des Kampfes um die Bürgerrechte in den USA hat dazu geführt, dass diese Rechte nicht zur Debatte stehen. Aber natürlich ist kein Land immun gegen zuwiderlaufende Entwicklungen. Das was in Europa passiert ist ein beunruhigender Trend und ich denke, es ist ein Symptom eines Problems, das nicht nur Fremdenfeindlichkeit ist.

derStandard.at: Sie sind Beraterin Obamas in Islamfragen. Was sind für sie die Unterschiede im Umgang mit dem Islam und Muslimen zwischen Bush und Obama?

Mogahed: Es gibt viele Unterschiede. Für die Obama Regierung sind Beschäftigung und Dialog mit der islamischen Welt eine Strategie der nationalen Sicherheit. Für Bush hingegen war "hard power" das Sicherheits-Instrument. Sicherheit ist für beide wichtig, es gibt aber Unterschiede wie dieses Ziel am besten zu erreichen ist. Ein weiterer Unterschied ist die Sprache in der über das Problem diskutiert wird. Von Bush gab es Aussagen wie "der Islam ist eine Religion des Friedens" aber er sagte auch Dinge wie "Islamofaschismus". Obama hingegen ist sehr konsistent in seiner Beschreibung des Terrorismus als Abweichung und nicht als Teil des Islam. (mka, derStandard.at, 1.3.2010)