Entsexen ist angesagt. Daher vielleicht diese Geschichte: Ein Künstler kauft im Sanitärgeschäft ein Urinoir und will es bei der großen Schau der Society of Independent Artists (eine mit den Secessionisten vergleichbare Künstlervereinigung) im New Yorker Grand Central Palace zeigen. Aber nichts da.

Pissschüssel im Museum, Skandal! Kunst-Grenzen-Diskussion rauf und runter, mit folgendem bekanntem Ergebnis: Dieses Urinoir ist eines der Schlüsselwerke der Moderne, und der Begriff Readymade ein sehr geläufiges Kunstvokabel. Nichts anderes als ein Readymade ist der Swingerclub in der Secession - und außerdem eine Superaktion von Christoph Büchel. Kunst macht Unsichtbares sichtbar; und so zerrt Büchel in einer atemberaubenden Geschwindigkeit Folgendes ans Licht: die gesellschaftlichen Verlogen- und Verklemmtheiten in puncto Sex. Viele, die in ihrem richtigen Leben nie einen Sexclub besuchen, machen einen auf Kunst und gehen Swingerclub schauen.

Und dann die schweißtriefenden Angstlüste und dürftigen Wortspenden unserer Politiker. Z.B.: kein Zensor, die Ministerin; nicht amüsiert, der Bürgermeister. Getäuscht, Wiens Citychefin. Und wir Journalisten befriedigen die voyeuristische Gier nach Skandalen und Sensationen. Büchel weiß: Jedem das Seine; und der Kunst ihre Kunst. (Andrea Schurian, DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.02.2010)