Das Magazin "News" hat einen Chefredakteur verloren, aber dafür Hitlers Verwandte gefunden. Ein problematischer Tausch. Man registriert ja schon dankbar, wenn nicht Jörg Haider vom Cover strahlt, aber der Platzwechsel mit dem Original-Gröfaz wird die Auflage auch nicht in die Höhe peitschen. News fand Hitlers Verwandte, war zu lesen, und nicht einmal der erledigte Chefredakteur konnte erklären - wozu? Statt dessen wollte er wissen: Wie ist das, wenn man plötzlich ein Hitler ist? Über Nacht erfahren muss, dass man mit dem größten Massenmörder aller Zeiten verwandt ist?

Für die Antwort darauf hätte "News" Hitlers Verwandte nicht finden müssen: Eher unangenehm. Dabei konnte von plötzlich gar keine Rede sein. Die Gerüchte hatte es eigentlich immer schon gegeben, dass es so sein könnte, dass man zu Hitlers Familie gehört. Wen wundert's, war Hitler doch ein im ganzen Waldviertel anerkanntes Familienoberhaupt. Natürlich, Gerüchte sind das eine. Aber plötzlich hat man es schwarz auf weiß. Mittels DNA-Analyse belegt. Einer Untersuchung, der man freiwillig zugestimmt hatte. Weil man endlich Gewissheit haben wollte, aber eigentlich gehofft hatte, dass es nicht so ist.

Norbert H. ist das passiert. Und in einem Aufwaschen enttarnte das Magazin auch gleich einen 70jährigen Altbauern aus dem Waldviertel als Großcousin des "Führers". Aber keine Angst, was die DNA-Analyse belegt, verwischt "News" wieder. Sie werden in seiner Reportage kein Gesicht der beiden Männer sehen, und auch die Namen haben wir verändert - und ebenso alle Spuren verwischt, die auf ihre wahre Identität schließen lassen. Kein Problem - alle im Dorf wussten immer davon. Nur die Leser dürfen nichts erfahren, problematisch genug, dass Norbert H., ein Mann, der gewohnt ist, nach vorne zu sehen, so plötzlich vom Gestern eingeholt wurde. Beziehungsweise von "News". Wozu aus "Österreich" zu erfahren war: Mit dem Chefredakteurswechsel soll das Magazin nun weg vom "Krawall-Image" gebracht und die sinkende Auflage stabilisiert werden. Ein Rezept, mit dem man bei Fellners vertraut ist.

Schließlich ist der Zusammenhang zwischen Image und Auflage verbürgt, auch auf dem Buchmarkt. So erzielte die Französin Catherine Millet mit der autobiographischen Schilderung "Das sexuelle Leben der Catherine M." eine Millionenauflage, was sie veranlasste, spekulierend auf das damit erworbenen Image eine Fortsetzung folgen zu lassen, in der sie plötzlich Eifersucht auf das vereinbarungsgemäß ähnlich freizügige Leben ihres Mannes empfindet und darunter schrecklich leidet - ein Zustand, der inzwischen behoben ist, wenn man dem Interview trauen darf, das sie vorige Woche dem "Spiegel" gab. Auch der Fortsetzung unter dem Titel "Eifersucht" dürfte somit eine Millionenauflage gesichert sein. Die Franzosen haben den Bewohnern der Ostalpen auf den Gebieten unterschiedlicher Feuchtigkeit angeblich einiges voraus, aber nun ist, wie "Woman" berichtet, eine Frau angetreten, dieses Image zu korrigieren. Österreichs Antwort auf Catherine Millet heißt Elfriede Vavrik, deren Einsatz das Magazin mit den Worten umriss: Sex ist ihr Hobby. Entfesselte Oma. Elfriede Vavrik, 80, bringt Männer total in "Rage". Österreichs größtes Frauen- & Lifestyle-Magazin ist sich offenbar nicht ganz sicher, wie es diese Leistung bewerten soll, heißt es doch auf der Titelseite Skurril: Lust-Oma und ihr Erotik-Outing, während im Blattinneren von einer Erotik-Beichte die Rede ist, eine Formulierung, die auf Reue und Sehnsucht nach Absolution hindeutet, wovon die Lust-Oma überhaupt nichts wissen will.

Weit gefehlt, sie wirbt dafür! In ihrem Buch "Nacktbadestrand" schildert Elfriede Vavrik, sechsfache Oma aus der Nähe Wiens, ihre erotischen Wunder unter der Bettdecke. 40 Jahre lang hatte die einstige Buchhändlerin keinen Sex ... Doch als sie mit 79 in Pension ging und ihr daheim die Decke auf den Kopf fiel, brauchte sie dringend ein erfüllendes Hobby. Dass der reife Mensch ein Hobby braucht, je erfüllender, desto besser, wird jeder Psychotherapeut bestätigen. Man würde daher dem Buch - "Ehe ich mich versah, wütete er schon in mir, ohne Vorspiel, ohne gar nichts" - einen weniger biederen, an das erotische Ambiente des Gänsehäufels gemahnenden Titel als "Nacktbadestrand" wünschen, gleichzeitig aber von "Das sexuelle Leben der Elfriede Vavrik" abraten. Wir haben es nicht nötig, die Franzosen nachzuäffen. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.2.2010)