Auf dem Bild ist der ältere Eisberg B9B rechts unten zu sehen, darüber befindet sich der neue - abgebrochene - Eisberg (Aufnahme mit dem Radar-Instrument Asar an Bord des ESA-Satelliten Envisat).

Foto: ESA/ACECRC

Sydney - Eine Jahrhundert-Kollision hat in der Antarktis einen gigantischen neuen Eisberg geschaffen: Der Koloss mit einer Fläche von etwa 2.550 Quadratkilometern und einer Dicke von bis zu 400 Metern brach vor zwei Wochen von der Zunge des Mertz-Gletschers ab. So etwas komme einmal in 50 bis 100 Jahren vor, sagte der Glaziologe Neal Young am Freitag im australischen Rundfunk. Auf Satellitenaufnahmen des ESA-Satelliten Envisat ist der driftende neue Eisberg deutlich zu sehen. Er ist etwa 78 Kilometer lang und 33 Kilometer breit.

Die Eismasse hat die Größe Luxemburgs und driftet leicht nach Norden. Auslöser war ein Zusammenstoß: Ein älterer, 97 Kilometer langer Eisberg mit der Bezeichnung B9B war in die Gletscherzunge gekracht. An der Gletscherzunge gab es seit Jahren Risse. Ein großer Riss war zwei Jahrzehnte alt, ein kleinerer Riss trat zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf, gab das Antarctic Climate and Ecosystems Cooperative Research Centre (ACECRC) am Freitag bekannt. Die Entwicklung des Mertz-Gletschers wird seit 2007 von einem australisch-französischen Forschungsteam im Rahmen des "CRACICE"-Projektes (Cooperative Research into Antarctic Calving and Iceberg Evolution) untersucht.

Einfluss

Experten warnen, dass ein so großer Eisberg die Meeresströmungen beeinflussen kann. So könnte die Masse eine Region vom Meer abschneiden, aus der besonders kaltes Meereswasser in die Ozeane fließt. Das könne das Wetter tausende Kilometer entfernt im Nordatlantik verändern. Laut BBC könnten die Winter im Nordatlantik dadurch kälter werden. Die Effekte seien aber nicht sofort feststellbar. Das Ereignis könnte Young zufolge auch Auswirkungen auf Pinguine und andere Lebewesen der Region haben. 

Dass der kalbende Gletscher die nordatlantische Strömung beeinträchtigt und damit das Wetter in Europa verändert, hält Anders Levermann, Professor für Dynamik des Klimasystems am Pik-Potsdam, hingegen für ausgeschlossen.

Unterwasser

Der Eisberg befindet sich derzeit im offenen Meer in so genannten Polynjas. Diesen eisfreien Flächen kommt wesentliche Bedeutung bei der Bildung des antarktischen Tiefenwassers zu: Das antarktische Meereis wird stetig vom Wind weggetrieben. Dadurch wird laufend neues Meereis gebildet. Durch die Abkühlung des Wassers und die ständige Bildung von Meereis, aus dem Salz abgeschieden wird, entstehe ein sehr kaltes, salzreiches und somit dichtes Wasser, das in große Tiefen absinkt.

Das kalte Tiefenwasser verteilt sich auf die verschiedenen großen Ozean-Bassins der Erde - wie etwa dem Pazifik. "Falls die Eisberge in der Region bleiben - was sehr wahrscheinlich ist -, könnten sie die Produktion des kalten, dichten antarktischen Bodenwassers stören, da sie die Bildung von Polynjas beeinflussen", so der französische Glaziologe Benoit Legresy gegenüber BBC. (APA/red/pte)