Bei strahlendem Wetter beobachten Schaulustige die Sprengung der beiden Masten: Der kleinere fällt um kurz vor 13 Uhr, der große (im Bild) um Punkt 15 Uhr

Foto: STANDARD/Newald

Wien - Für Wolfgang Hellnwein schließt sich ein Kreis: „Ich war 1959 mit 15 dabei, als sie angefangen haben, die beiden Masten aufzubauen", sagt er. Hellnwein steht auf einer Wiese am Bisamberg, die Lederhalbschuhe bis zu den Schnürsenkeln im Schlamm. Die strahlende Sonne lässt den Schnee schmelzen. Vis-à-vis, auf einer Anhöhe 500 Meter von der Wiese entfernt, stehen die beiden Masten der Sendeanlage Bisamberg.

In einer halben Stunde, Punkt 12 Uhr, soll der kleine, 120 Meter hohe Mast gesprengt werden, drei Stunden später, um 15 Uhr, der große. Mit 265 Metern Höhe ist er das höchste Bauwerk Österreichs. Hellnwein ist gekommen, um sich zu verabschieden. Seit 15 Jahren sind die Masten nicht mehr in Betrieb. Die Stahlseile, die sie stützen, hätten erneuert werden müssen, die Sprengung ist günstiger.

160 Häuser evakuiert

Die Wiese, auf der Hellnwein steht, ist eine von zwei Aussichts-Zonen, von der aus Interessierte die Sprengung beobachten können. Die Sender sind großräumig abgesperrt: 160 Häuser in der Umgebung wurden evakuiert, die Straße über den Berg gesperrt. Alle 50 Meter stehen Securities.

Etwa 200 Schaulustige sind auf die Wiese gekommen, die meisten ausgerüstet mit Videokameras oder Fotoapparaten. „Schön ist er ja nicht unbedingt", meint Elisabeth Kubesch. Die Pensionistin ist trotzdem hier, um den Fall der Sender zu filmen. Zu Hause hat sie den Videorekorder programmiert. Das Fernsehen überträgt die Sprengung, Frau Kubesch nimmt sie auf. „Nur um sicher zu gehen. Und für die Urenkerln."

Ebenfalls ganz sicher gehen will Martin Huck. Der Hobbyfotograf hat sich den Tag extra frei genommen. Bereits um zehn hat er seine Ausrüstung auf den Bisamberg gekarrt und baut gerade sein Stativ auf. Eine Sprengung hat er noch nie fotografiert. „So oft kommt das in Österreich ja nicht vor." Er kennt den Mast vom Spazierengehen. „Die Gegend wird fad ausschauen, wenn er weg ist", meint er. „Dann ist es einfach nur mehr ein Hügel."

Protest eines Anrainers

Um zehn vor zwölf ertönt die Sirene: Zwei kurze Töne kündigen an, dass gleich gesprengt wird. Dann knistert es im Funkgerät der Securities. „Sprengung auf unbestimmte Zeit verschoben." Ein Anrainer habe sich in seinem Haus festgekettet und weigere sich zu gehen. „So nach dem Motto: ‚Rettet den Sendemast‘", sagt die Sicherheitsfrau.

"Nur wegen so an Deppaten"

Bereits Wochen vor der Sprengung hatte der Mann protestiert. Auf einer Homepage rief er zu Spenden auf, um die Stützseile doch noch zu sanieren. Eine Million Euro hätte er dafür sammeln müssen - geglückt ist es offensichtlich nicht.
Das Grüppchen um Herrn Hellnwein wird langsam unruhig. Herr Huck schaltet die Kamera aus, um Batterien zu sparen. „Nur wegen so an Deppaten, der aus seiner Hüttn net außegeht", flucht ein älterer Herr. „Schneits eam auße", sagt ein anderer.
Der Aufforderung wird Folge geleistet: Eine halbe Stunde später „begleitet" die Polizei den Mann aus dem_Haus. Noch einmal ertönt die Sirene, dreimal kracht es, der kleine Mast knickt um. 

Vom Hügel hebt sich eine Staubwolke, von Florian Pfeffer eine schwere Last. Die vergangenen zwei Monate hat er diesen Moment vorbereitet, jetzt ist alles gutgegangen. Pfeffer arbeitet für Alpine Energie, jene Firma, die die Masten für die Rundfunksender-Gesellschaft sprengt. „Eine Sprengung ist immer außergewöhnlich", sagt Pfeffer. „Manche Dinge lassen sich einfach nicht beeinflussen." Der kleine Mast war ein Testlauf für den großen. Das System ist bei beiden gleich: Schneidladungen sprengen kleine Keile aus dem Mast, um sicherzugehen, dass er in eine bestimmte Richtung fällt. Sekundenbruchteile später werden die Stützseile abgesprengt, schließlich wird der Sender gefällt. Der Stahl wird in den kommenden Tagen weggeräumt und eingeschmolzen. 

Fünfmal knallt es

Pfeffers Mitarbeiter überprüfen, ob auch der gesamte Sprengstoff detoniert und der Mast komplett gekippt ist, bevor der zweite gesprengt werden kann. Um Punkt drei Uhr ist es dann so weit: Fünfmal knallt es, die Metallkonstruktion fällt, Österreich hat ein neues höchstes Bauwerk, den Donauturm. Vermissen wird Herr Hellnwein die alten Masten nicht. „Nur das rote Blinklicht an der Spitze wird mir in der Nacht abgehen." (Tobias Müller, DER STANDARD Printausgabe, 25.2.2010)