In regelmäßigen Abständen erreichen uns Berichte über aktuelle und vergangene Fälle von sexueller Kindesmisshandlung in katholischen Einrichtungen samt den damit verbundenen Beschwichtigungen und Entschuldigungen der verantwortlichen Würdenträger.

Auffallend und zugleich in hohem Maß befremdlich erscheint, dass in der Mehrzahl dieser Berichte Kindesmissbrauch und Homosexualität in einen Zusammenhang gebracht wird - nach dem Assoziationsmuster Homosexualität=Männer=Pädophilie=männliche Prostitution=abweichende Sexualpraktiken. Ich halte diese Themenvermengung für inakzeptabel.

Vor fünf Jahren war im Zusammenhang mit dem "Fall Groër" ein Interview im Standard erschienen, wo gefragt wurde, ob das Vorurteil stimme, dass der Priesterberuf attraktiv für Personen sei, die ein Problem mit ihrer Homosexualität haben. Und beflissen kam die Antwort von einem einschlägigen "Experten" der meinte, es "(...) könnte die priesterliche Lebensform für Menschen, die in ihrer sexuellen Entwicklung steckengeblieben [sic] sind, einen Schlupfwinkel darstellen. Umso wichtiger ist es, dass Skandale wie der um Groër auch tatsächlich thematisiert und aufgearbeitet werden." Wir erinnern uns noch an diesen Skandal? Groër homosexuell? Nein, denn tatsächlich war sexueller Missbrauch das Thema!

Die Geschichte wiederholt sich als Endlosschleife im Jahr 2010: In einem Bericht über die aktuellen Aufdeckungen zitiert der Standard den amtierenden Rektor jenes betroffenen Berliner Gymnasiums, der seine Kirche scharf kritisiert: "Homosexualität wird verschwiegen. Kleriker mit dieser Neigung sind unsicher, ob sie bei einem ehrlichen Umgang mit ihrer Sexualität noch akzeptiert werden."

Ein weiteres häufiges Argument für die möglichen Gründe der auffälligen Nähe der katholischen Kirche zu sexuellen Kindesmisshandlungen lässt da nicht auf sich warten. Das Zölibat (vgl. Brief unten) sei daran schuld, dass bevorzugt diese (Autoritäts-)Personen sich an Wehrlosen vergreifen. Ein weiteres Vorurteil also, dass homosexuelle Kontakte quasi als Ersatz für fehlende heterosexuelle Beziehungen dienen und somit ein durchaus veränderbarer Zustand sind, wenn nur der nötige Wille und die nötigen Umweltreize vorhanden wären.Was aber ist Homosexualität?: laut Wikipedia "eine sexuelle Orientierung bei der Liebe, Romantik und sexuelles Begehren ausschließlich oder vorwiegend für Personen des eigenen Geschlechtes empfunden werden". - Und was hat das mit Kindesmisshandlungen zu tun?

Viele Menschen erleben es als Demütigung, dass Homosexuelle mit derlei illegitimen Verkürzungen in Verbindung gebracht werden. Nun könnte man der katholischen Kirche noch eine gewisse Perfidie unterstellen und diese permanente Vermischung als durchaus absichtsvoll ansehen. Warum aber auch der Qualitätsjournalismus dieser Linie immer wieder folgt (zuletzt etwa in einer Kolumne von Hans Rauscher), bleibt unverständlich.

Lesbische Frauen und schwule Männer sind in Österreich nach wie vor Menschen zweiter Klasse, haben nicht die gleichen Rechte und sind in jeglicher Form von der Möglichkeit der Adoption von Kindern ausgenommen.

Leider wird die Tatsache allzu oft verschwiegen, dass viele homosexuelle Mitmenschen Kinder haben und in unterschiedlicher Form Familie leben, Verantwortung für einander und für andere übernehmen.

Ich lege größten Wert darauf, dass gleichgeschlechtlich l(i)e-bende Menschen nicht unablässig mit diesen traurigen Misshandlungsvorfällen in Verbindung gebracht werden. (Norbert Pauser, DER STANDARD - Printausgabe, 22. Februar 2010)