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In Nathalie Lepeletiers Bäckerei in Collobrières sind Franc-Scheine noch gern gesehen. Rückgeld gibt es in Euro und Cent.

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Collobrières - "Schön, dass du mit einem Cézanne zahlst!", sagt Nathalie Lepeletier, Dorfbäckerin im südfranzösischen Collobrières, lachend. Die Kundin streckt ihr einen lachsroten Schein hin, auf dem die Zahl 100 sowie ein Glatzkopf abgebildet ist: Paul Cézanne, der Maler, dem die Ehre gebührte, auf einer französischen Banknote abgebildet zu sein. Allerdings nicht auf den heute gültigen Euros, sondern auf den alten 100-Franc-Scheinen.

Elf Jahre nach der Einführung der europäischen Währung leisten ein paar Dörfer in Frankreich nach wie vor Widerstand: Ihre Bäcker, Metzger und Coiffeure akzeptieren Franc-Scheine als Zahlungsmittel.

Lepeletier händigt der Kundin gegen den 100-Franc-Schein ein Baguette, Melonen-Confiture und ein paar Euro- und Cent-Münzen aus. "Wir nehmen nur die Franc-Scheine, nicht das Metallgeld - das können wir bei der Banque de France nicht gegen Euro eintauschen", erklärt die 41-Jährige.

Nicht nur nostalgische Gründe

Als Präsidentin des lokalen Gewerbevereins hatte Lepeletier vor zwei Jahren dafür gesorgt, dass der Franc in ihrem 1700-Seelen-Dorf hoch über der Côte d'Azur wie in ein paar anderen französischen Gemeinden wieder eingeführt wurde. Dies geschah nicht unbedingt aus Nostalgiegründen. "Ich hörte immer wieder von Kunden, die irgendwo noch Francs horteten oder zufällig fanden. Sie sind froh, sie ohne den mühsamen Gang zur Banque de France loszuwerden." Dieser Umtausch ist nur noch bis 2012 möglich, dann verliert der Franc jeden Wert.

Zum Euro hat die Bäckerin kein so inniges Verhältnis. "Das heißt nicht, dass wir zurück zur alten Währung wollen", erklärt die resolute Boulangère des idyllischen Ortes mit seinen Platanen und Pastellfassaden. "Aber es heißt auch nicht, dass wir den Euro besonders ins Herz geschlossen hätten", fügt sie gleich an.

Euro als Teuro

Bei den Franzosen steht der Euro wie überall im Ruch des "Teuro". Dieser Eindruck bestätigt sich heute für die Einwohner von Collobrières, wenn sie ihre letzten Francs hervorkramen und einkaufen gehen. Auch beim Brot merken sie, wie teuer die Alltagsprodukte geworden sind: Ein Baguette hat jetzt je nach Variante einen Wert von ungefähr sechs Francs - doppelt so viel wie 2002, als es letztmals landesweit in der alten Währung verkauft wurde.

Mitte Februar gaben in einer Meinungsumfrage 69 Prozent der Franzosen an, dass sie dem Franc "nachtrauern". 2002, als die Zeitschrift Paris-Match die gleiche Frage zum ersten Mal stellte, hatten nur 39 Prozent der Franzosen die Abschaffung des Franc bedauert.

Die aktuelle Finanzkrise dürfte die Abneigung noch verstärken. Bisher galt der Euro wenigstens als stark und sicher. Mit der Debatte um die Griechenland-Schuld gilt sogar dies nicht mehr unbedingt als Vorteil - der Franc ließ sich in Krisenzeiten wenigstens abwerten. Zu solchen "politischen" Überlegungen will sich Nathalie Lepeletier nicht äußern.

"Aber vergessen haben wir den Franc auch nach mehr als zehn Jahren nicht", sagt sie und verabschiedet sich von der nächsten Stammkundin mit zwei Wangenküsschen. Die gibt es hier gratis, Euro oder Franc hin oder her. (Stefan Brändle, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.2.2010)