Auf der Rückseite von Asylverfahrenskarten ist die neue Gebietsbeschränkung vermerkt

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Traiskirchen/Wien - Für den ehrenamtlichen Obdachlosenhelfer Klaus Steiner war es eine aufreibende Nacht. „Vor einer Woche um 22 Uhr sind plötzlich zwölf junge Männer vor der Tür unserer Organisation in Wien gestanden. Deutsch haben sie nicht verstanden - aber sie haben mir nur ihre weißen Asyl-Verfahrenskarten sowie kopierte Zettel gezeigt."

Nach einigem Französischradebrechen - zwei der Hereingeschneiten waren aus einem nordafrikanischen Staat - stellte sich heraus, dass diese aus der Erstaufnahmestelle Traiskirchen weggewiesen worden waren: ganz offiziell, per Betretungsverbot laut Paragraf 56 Sicherheitspolizeigesetz. Damit standen die Männer ohne Unterkunft und Versorgung da.
Nach einem neuen Dach über den Kopf hätten sie von Rechts wegen eigentlich im Bezirk Baden suchen müssen - war doch auf der Rückseite ihrer Asylwerberkarten kurz und bürokratisch: „Aufenthalt auf Gebiet Bezirk Baden beschränkt" vermerkt. So wie es die im Jänner in Kraft getretene Gebietsbeschränkung für Asylwerber im Aufnahmeverfahren vorsieht. Nur, dass es im Bezirk Baden eben keine geeigneten Obdachloseneinrichtungen gibt. Also hatte ein mitdenkender Mensch aus dem Traiskirchener Lagerbereich den Männern Zettel mit möglichen Unterkunftsadressen in Wien ausgehändigt. Doch widerrechtliches Verlassen des Bezirks kann Sanktionen bis hin zur Schubhaft zur Folge haben.

Obdachlosenhelfer Steiner gelang es nur mit Mühe, die „Ex-Traiskirchener" in Wiener Notschlafstellen unterzubringen. Das wiederum „mit der Befürchtung im Nacken, dass wir bei Ungesetzlichem mitmachen".

Hier beruhigt Innenministeriumssprecher Rudolf Gollia: „Wer in der Erstaufnahmestelle mit einem Betretungsverbot belegt worden ist, muss die Gebietsbeschränkung nicht mehr einhalten. Er muss sich vielmehr eine neue Meldeadresse suchen, sonst wird sein Asylverfahren eingestellt."
Der Wiener Anwalt und Asylrechtsexperte Georg Bürstmayr sieht das anders: „Das Betretungsverbot gilt nur für die Erstaufnahmestelle. Das heißt noch lange nicht, dass man den Bezirk straffrei verlassen darf." Vielmehr - so Bürstmayr - zeige sich am Beispiel der zwölf Gestrandeten, „dass wir beim Thema Asyl derzeit die Entrechtlichung eines Rechtsbereichs miterleben. Einfacher gesagt: Die linke Hand weiß nicht mehr, was die rechte tut."

Gollia meint hingegen: Wer aus der Erstaufnahmestelle gewiesen werde, habe sich „eindeutig nicht an die Regeln gehalten". Was mit solchen Personen passiert, „kann nicht das primäre Problem des Innenministeriums sein".

Die beiden Nordafrikaner waren nach einer Auseinandersetzung ohne Verletzte oder Sachschaden verbannt wurden. Von den zwölf Männern ist inzwischen übrigens kein Einziger mehr in Wien auffindbar. Sie sind untergetaucht, leben jetzt also vielleicht illegalisiert im Land. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.2.2010)