Foto: Corn - Buch: Schirmer/Mosel

Heuer fährt das Ruhrgebiet die Ernte seines Strukturwandels ein. Als eine "Metropole" präsentiert sich die europäische Kulturhauptstadt 2010, die noch vor einer Generation aus vielen Industrieorten, Zechen und mehr als hundert Förderschächten bestand. Mit "Der Pott kocht" warb die Region damals selbstbewusst für sich. Schlote, Förder- und Kühltürme beherrschten den Horizont, stellten Wiesen und Wohnhäuser, Autos und vor allem die Menschen zwergenhaft in den Schatten.

Seit den späten 50er-Jahren machte sich ein späterer Polizeifotograf in seiner Freizeit daran, "seinen" Kohlenpott in unzähligen Bildern zu dokumentieren. Horst Lang (1931- 2001) war nicht der Erste, dem es die größte deutsche Industrieregion angetan hatte. Albert Renger-Patzsch, der herausragende Vertreter einer fotografischen Neuen Sachlichkeit, und der anthropologisch vorgehende August Sander hielten bereits in den 1920er-Jahren das Leben zwischen Duisburg und Dortmund fest. Renger-Patzsch war es auch, der Lang förderte - so steht es im Vorwort zu dessen Buch Als der Pott noch kochte ..., das 2000 anlässlich einer großen Retrospektive erstmals erschien. Seine späte Anerkennung verdankte Lang zwei weiteren Fotografen, deren Namen untrennbar mit der Kohlenpott-Architektur verbunden sind: Bernd und Hilla Becher.

Die Bechers dokumentierten ihre Objekte mit Distanz und wissenschaftlicher Genauigkeit, Horst Lang ging näher heran. Er suchte und fand die Kontraste, die Melancholie und die Stärke des Reviers in den Straßen, auf den Brachen und Brücken, fast immer mit der gewaltigen Industrie im Hintergrund - als ob er ahnte, dass diese Kulisse bald abgetragen würde. Seine souverän komponierte Schwarz-Weiß-Fotografie war eine späte Entdeckung. Der wie so oft verdienstvolle Schirmer/Mosel-Verlag hat den Katalog nun neu herausgegeben. Zum Metropolenrummel eine willkommene Ergänzung. (Michael Freund, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 20./21.02.2010)