Fietspatrouille: Niederländische Soldaten fahren per Fahrrad Streife.

Foto: Niederländisches Verteidigungsministerium

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Brothers in Arms: Christen Unie-Chef Rouvoet (l.), Arbeitspartei-Chef Bos (m.), Premier Balkenende (r.)

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Ein Wort wie eine Chiffre: Uruzgan. Während in Deutschland der Ausspruch von Ex-Verteidigungsminister Peter Struck, wonach Deutschlands Freiheit auch am Hindukusch verteidigt werde, in kaum einem Artikel über den Anti-Terrorkampf in Asien fehlt, beherrscht der Name der kargen Region im Südosten Afghanistans die Debatte in den Niederlanden. Nun droht die Regierung Balkenende an der "Uruzgan-Debatte" zu scheitern.

Der Landstrich, angeblich Heimat des flüchtigen Taliban-Chefs Mohammed Omar, steht seit heute im Mittelpunkt einer Debatte im Haager Parlament. Und die ist nicht nur für die rund 300.000 Bewohner der Provinz von Bedeutung, sondern auch über den Fortbestand der Großen Koalition in den Niederlanden entscheiden könnte.

Schon einmal verlängert

Während sich die größere Regierungspartei, der Christdemokratische Appell (CDA) von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende, für eine weitere Verlängerung des Mandats einsetzt, fordert ihr Juniorpartner, die sozialdemokratische Arbeitspartei (PvdA) von Vizepremier Wouter Bos, das Ende des wenig populären Einsatzes. Der dritte im Bunde, die konservative Christen Unie von André Rouvoet, folgt dem Ruf Balkenendes, sich in Afghanistan „alle Optionen offen zu lassen."

Seit 2006 sind bis zu 1800 niederländische Soldaten im Rahmen der Nato als so genannte "Task Force Uruzgan" in Afghanistan im Einsatz. 21 Niederländer kamen seither durch Sprengfallen, Angriffe von Aufständischen und Unfällen ums Leben. Ursprünglich war geplant, die Truppen zwei Jahre lang dort zu belassen. Inzwischen wurde der Einsatz, der Stabilität und Sicherheit bringen soll, bis August 2010 verlängert. Im Koalitionsvertrag wurde diese Frist auf Ansinnen der Sozialdemokraten schriftlich festgelegt. Doch vergangene Woche bat Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Haager Regierung um einen Aufschub des geplanten Truppenabzugs bis August 2011.

Ultimatum bis 1. März

Der Konflikt zwischen den Koalitionsparteien entzündete sich an der Forderung der Arbeitspartei, so schnell als möglich einen ablehnenden Beschluss über die Zukunft der Afghanistan-Mission zu treffen. Die Tweede Kamer, das Unterhaus des Parlaments, setzte der Regierung ein Ultimatum, das am 1. März endet und den Druck auf Balkenende, Bos und Rouvoet nicht geringer macht. Am Mittwoch hatte PvdA-Chef Bos in einer Krisensitzung der Koalitionsparteien ein definitives Ende des Einsatzes gefordert. Bos' Parteifreundin, Innenministerin Guusje ter Horst sieht sich vor allem den Wahlversprechen ihrer Partei verpflichtet. Die Arbeitspartei hatte stets für einen raschen Abzug aus dem Krisengebiet geworben. Außenminister Maxime Verhagen, ein Parteigänger von Balkenendes CDA, fürchtet hingegen um den Ruf des Königreichs als verlässlicher Partner der USA und der Nato.

Beobachtern zufolge droht die 2007 gebildete Koalitionsregierung an der Afghanistan-Frage zu zerbrechen, die Opposition schießt scharf gegen die Regierung. Speziell Wouter Bos steht im Kreuzfeuer der Kritik. Der Sozialdemokrat missbrauche die Diskussion über den Truppeneinsatz aus wahltaktischem Kalkül, hieß es etwa.

Ministerrat soll Fakten schaffen

Premier Balkenende hatte schon am Donnerstagabend seine liebe Not, die Oberhand in der Uruzgan-Debatte zu behalten. Abgeordnete der Opposition hatten ihn während einer Sitzung der Zweiten Kammer dazu gedrängt, sich über den Fortbestand des Nato-Einsatzes zu äußern. Balkenende lehnte dies mit Hinweis auf die heutige Ministerratssitzung ab. Vizepremier Bos sagte vor deren Beginn am Morgen: "Das wird ein hartes Stück Arbeit."

Umfragen bescheinigen beiden großen Regierungsparteien Imageschäden durch die Uruzgan-Debatte. Geert Wilders' rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) könnte sich demnach als große Gewinnerin möglicher Neuwahlen entpuppen. Rhetorisch jedenfalls scheint Wilders, dessen islamkritischen Äußerungen europaweit umstritten sind, gewillt, aus dem Einsatz der Niederländer am Hindukusch Profit zu ziehen: "Die Regierung ist völlig unglaubwürdig und muss abtreten", sagte er gestern. (flon/derStandard.at, 19.2.2010)