Guter Kapitalismus kann nur funktionieren, wenn die Menschen mitmachen. Diese Einsicht ist ebenso banal wie wahr, bleibt aber leider meist folgenlos. So what? Gut zu sein ist nicht gut genug. Guter Kapitalismus muss auch den Egoismus der Menschen befriedigen, um sie zu motivieren. Und er muss schön und bunt sein.
Alle Beträge in der Kolumne zum "Guten Kapitalismus" dienen auf ihre Weise dem Ziel, die Wirtschaft und damit die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Auch Hemmnisse sind genannt worden, und um ein weiteres Hemmnis geht es hier. Das Hemmnis heißt Mensch. Der Mensch als Konsument und Wirtschaftsakteur.

Was Marktforschung und Konsumpsychologie über uns wissen, ist recht bitter. Zugespitzt: Einerseits wollen wohl die allermeisten sehr gern eine überdurchschnittliche Rendite erzielen oder besonders billig einkaufen. Egal, ob es ums Reisen, um Häuser, um Dienstleistungen oder um Fleisch geht. Wer verzichtet schon gern auf seinen Vorteil? Andererseits ahnen wir vielleicht die hässliche Fratze des bösen Kapitalismus, möchten jedoch bitte nicht mit den Kollateralschäden unseres individuellen Nutzenmaximierens konfrontiert werden.

Verheißungen

Da kommt - speziell den nachhaltigkeitsbewegten Konsumenten - der gute Kapitalismus gerade recht. Er verheißt die Versöhnung von Mammon und Moral und entlastet so das Gewissen. Die Sehnsucht nach dieser Gewissensidylle ist sicherlich aufrichtig, doch dadurch sind wir so kinderleicht manipulierbar. Die Werbung hat wirksame Tricks auf Lager, dieser Sehnsucht auf die Sprünge zu helfen: Besonders gut funktioniert zum Beispiel Kitsch. Viel Grün, ein süßes Tier, schon klappt's mit dem Heile-Natur-Gefühl. Ein lächelndes Mädchen dazu, schon hat auch die Sehnsucht nach der heilen Gesellschaft Nahrung. Vorbei am Denkapparat sendet das limbische System Harmoniesignale. Mehr als ein bisschen "Convenience Morality"-Attitüde ist dann nicht zu erwarten.

Synchronisationen

Das heißt: Guter Kapitalismus müsste seine Gebote der Nachhaltigkeit synchronisieren mit dem Egoismus der Menschen, müsste diesen Egoismus respektieren und bedienen. Er müsste weiter einsehen, dass der Konsument ganz schnell überfordert ist mit seiner Verantwortung, dass doch eher Unternehmen und Politik gefordert sind.

Das heißt auch: Gutes tun und zugleich den Egoismus respektieren reicht immer noch nicht. Das Gute sollte nämlich auch ästhetisch gefällig inszeniert werden, um die harmonistische Sehnsucht nach heiler Welt zu stillen. Diese Leistung wäre dann schon ganz okay, aber da geht mehr: Der Königsweg des guten Kapitalismus beginnt dort, wo Unternehmen nicht einfach die CSR-Routine abspulen, sondern auf die Einzigartigkeit ihres Engagements achtgeben. Ebenso wie es Biodiversität gibt, sollte es auch Guter-Kapitalismus-Diversität geben. Das Gute wird nämlich viel schneller langweilig als das Böse. Und Langeweile mögen die Konsumenten auch nicht. (*Stefan Hermann Siemer, DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.2.2010)