Wien - Die Wiener Wirtschaftskammer sieht in Sachen Konjunktur einen "Silberstreif" am Horizont. Laut Kammerpräsident Walter Nettig liegt etwa der Auftragsbestand in Wien um zehn Prozent über dem Vorjahr. Auch bei der Insolvenzentwicklung sei eine Abnahme der Pleiten zu verzeichnen. Wenig erfreut zeigte sich der Kammerpräsident hingegen mit der Situation am Arbeitsmarkt - wobei vor allem das AMS Wien mit Kritik bedacht wurde. Dessen Vermittlungsquote, so Nettig, liege deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

"Die Wiener Wirtschaft ist passabel unterwegs", versicherte Nettig am Dienstagabend vor Journalisten. Bereits im ersten Halbjahr des Vorjahres habe es ein Wachstum gegeben, das doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt gewesen sei. Nach einer Abflachung in der zweiten Jahreshälfte sei letztendlich für 2002 ein Wachstum von etwas mehr als ein Prozent ausgewiesen worden.

Zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht

Der Jahresbeginn 2003 hat laut Nettig gezeigt, dass die Wirtschaft in Wien zumindest in "bescheidenem Ausmaß" wieder zusätzliche Arbeitskräfte brauche. Die Beschäftigungszunahme im erste Quartal habe rund 0,3 Prozent betragen. Als Träger der Beschäftigung haben sich demnach vor allem Klein- und Mittelbetriebe erwiesen. Nettig betonte jedoch: "80.895 Arbeitslose sind weiterhin alarmierend."

Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass binnen eines Jahres zwar 57.000 Menschen eine neue Arbeit gefunden haben, beim Arbeitsmarktservice in der Bundeshauptstadt derzeit aber nur rund 2.500 offene Stellen gemeldet sind. "Das ist ein Signal, dass die Unternehmen sich weniger der Dienste des AMS bedienen." Die Vermittlungsquote des Wiener AMS liege mit knapp 33 Prozent auch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von mehr als 50 Prozent.

Reformarbeit im AMS fortsetzen

Nettig forderte, dass die Reformarbeit im AMS konsequent fortgesetzt werden müsse - und dass die versprochene "Unternehmerorientierung" verstärkt gelebt werden solle. Förderungsmittel müssten ziel- und zweckorientiert eingesetzt werden. Und Schulungen sollten dort erfolgen, wo es tatsächlichen Arbeitskräftebedarf gibt und dürften auf keinen Fall Selbstzweck sein, so Nettig.

Der Wiener Kammerpräsident warnte weiters vor einer Entwicklung im Handel, die vor allem in den vergangenen Jahren zu Problemen geführt habe: Die "explosionsartige" Vermehrung der Flächen in Einkaufszentren und Fachmärkten am Stadtrand. Laut Nettig sei diese vor allem zu Lasten der Einkaufsstraßen gegangen, deren Anteil an der Verkaufsfläche seit 1995 von 25 auf 22 Prozent gesunken sei.

Eine Folge davon sei eine steigende Verkehrsbelastung und ein Verlust an Lebensqualität in der Stadt. Sollten etwa die derzeit gewidmeten Projekte realisiert werden, werde die Verkaufsfläche neuerlich um acht Prozent ansteigen. Das sei ein "Katastrophenszenario" für den Handel - von dem auch die Einkaufszentren selbst betroffen seien. Denn auch diese hätte mit schwindenden Umsätzen zu kämpfen. Nettig forderte einen zweijährigen Widmungsstopp für neue Verkaufsflächen - so lange bis der neue Stadtentwicklungsplan vorliegt, der für 2005 angekündigt ist.(APA)