Atomkraft ist eine Glaubensfrage: Glaubt man, dass Kernkraftwerke sicher betrieben und ihre Abfallprodukte sicher entsorgt werden können? Die Österreicher meinen mehrheitlich, dass die Antwort darauf Nein lauten muss. Das haben sie in einer Volksabstimmung 1978 klargestellt - und spätestens seit dem Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl 1986, nach dem Österreich mit radioaktivem Fallout berieselt wurde, ist die österreichische Energiepolitik gegen Atomstrom gerichtet.

Zumindest in Sonntagsreden.

Wenn man ehrlich wäre, müsste man zugeben, dass doch recht beachtliche Mengen - gute fünf Prozent des österreichischen Stromverbrauchs - aus ausländischen Atomkraftwerken in unsere Netze kommen. Und die Kunden, denen der Energiemix auf ihrer Stromrechnung ausgewiesen wird, scheinen nichts dagegen zu haben.

Atomstrom ist eben billig. Was nicht dazugesagt wird: Er ist billig, weil er hoch subventioniert wird.

Das begann schon damit, dass die Atomforschung jahrelang auf den Bau von Atombomben ausgerichtet war, was aus den Militärbudgets bezahlt wurde. Die Kernkraftwerke, ursprünglich als "gezähmte Bombe" beworben, waren ein ziviler Spin-off, der allerdings ebenfalls Anschubfinanzierung brauchte. Und eine Propagandamaschine, die auf höchster Ebene angesiedelt wurde: Die IAEO als UN-Organisation und Euratom in der EWG sollten der zivilen Nutzung der Atomkraft den Weg bereiten und Glaubwürdigkeit verleihen.

Das hat jahrelang geklappt. Bis dann die Atomlobby durch einfache Fragen bloßgestellt wurde: Wo sind die sicheren Endlager? Wie stark werden wir im Falle des größten anzunehmenden Unfalls (GAU) mit Strahlen belastet?

Als in den USA 1979 der Reaktor von Three Mile Island nahe Harrisburg versagte, meinte man, dies sei der GAU - da ist ohnehin wenig passiert. Tschernobyl war viel schlimmer, aber (anders als in den Schlagzeilen vermittelt) immer noch nicht der Super-GAU. Es hätte schlimmer kommen können, wenn noch eine zweite Explosion stattgefunden hätte, die aufopferungswillige Soldaten unter Einsatz ihres Lebens verhindert haben.

Wer in solchen Fällen haftet, weiß man: Es ist die Allgemeinheit, die die Kosten tragen muss. Sie trägt sie auch im Normalbetrieb mit: denn ohne staatliche Milliardenhilfe können nirgendwo neue Atomkraftwerke gebaut werden. Ohne staatlichen Schutz können sie nicht betrieben werden. Und ohne staatliche Unterstützung (und manchen Polizeieinsatz) können nicht einmal nukleare Zwischenlager betrieben werden - von Endlagern wagt man gar nicht mehr zu sprechen.

Da redet man lieber davon, dass in einem AKW kein Kohlenstoff verbrannt wird und die Atomenergie daher klimafreundlich wäre - was sich unter Einrechnung des sonstigen Energieaufwands relativieren würde.

Aber so genau wird eben nicht gerne gerechnet. Sonst käme man zu dem Ergebnis, dass man mit dem Aufwand für die Atomindustrie viel sinnvollere Projekte angehen könnte - etwa im Bereich erneuerbarer Energieträger. Oder im Bereich der Wärmedämmung, in der wesentlich mehr Potenzial steckt als in der Umrüstung auf Energiesparlampen, die die EU forciert.

Zur EU gehört eben auch Euratom, wo Österreich weiter fleißig mitzahlt. Und damit eine Politik fördert, die in Sonntagsreden von allen Politikern abgelehnt wird. In Glaubensfragen sollte man mehr Festigkeit erwarten. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2010)