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Ein glutamathältiger Klassiker: Knabbereien

Foto: APA/Barbara Gindl

Hinter den E-Nummern 620 bis 625 verbirgt sich der Stoff Glutamat. Bekannt geworden ist der Geschmacksverstärker in den 1970er-Jahren, als Besucher von Chinarestaurants über Kopfschmerzen, Taubheitsgefühle und Übelkeit berichteten. In vielen asiatischen Gewürzmischungen kommt der Stoff anstelle von natürlichen Gewürzen vor - daher rührt auch der Name "China Restaurant Syndrom".

Glutamat existiert im menschlichen Organismus auch in ganz natürlicher Form und übernimmt als Neurotransmitter wichtige Funktionen bei der Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen im Gehirn. In Nahrungsmitteln wie Tomaten, Käse oder Schinken ist die Aminosäure ebenfalls zu finden. Geschmacksverstärkende Wirkung besitzt Glutamat aber nur als künstliches (freies, Anm.) Produkt und diesem werden üble Dinge nachgesagt: es soll dick, allergisch und gar krank machen.

Krankheitsauslöser Glutamat?

Die Gesellschaft für Ernährungsheilkunde in Deutschland hat vor Geschmacksverstärkern als Auslöser für neurologische Erkrankungen wie Migräne, Multiple Sklerose oder Parkinson und Bluthochdruck gewarnt. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung hingegen reagierte darauf mit einer Entwarnung. Glutamat wurde von ihr als gesundheitlich unbedenklich beurteilt. Allerdings gibt es Menschen, die auf Glutamat sensibel reagieren.

Allergieauslöser Glutamat?

Beschriebene Beschwerden wie Kopf- oder Rückenschmerzen sind schwer objektivierbar. Diagnostische Tests für Nahrungsmittelallergien konnten Glutamat bis jetzt auch nicht als Auslöser definieren. "Diese Menschen haben ein Problem, aber höchstwahrscheinlich ein anderes, beispielsweise eine Intoleranz und die lässt sich mit Allergietests nicht feststellen", so Christoph Ebner, Leiter des Allergieambulatoriums Reumannplatz. Eine solche Unverträglichkeit bedeutet, dass die Symptome zwar ähnlich einer Allergie sein können, aber keine Immunreaktion stattfindet. Gleichzeitig sind Intoleranzen aber nicht lebensbedrohlich - was bei Allergien der Fall sein kann.

"Menschen, die Probleme mit Glutamat haben, kann ich nur zu einer Eliminationsdiät raten, Glutamat möglichst aus der Ernährung wegzulassen", so der Mediziner. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, denn der künstliche Geschmacksverstärker ist billiger als richtige Gewürze und kommt daher auch in vielen Fertiggerichten und Kantinenessen vor. Auch ein Blick auf Inhaltsstofflisten nützt nicht immer: versteckt kommt es auch unter den Bezeichnungen Würze, Hefeextrakt oder Aroma vor.

Dickmacher Glutamat?

Dick werden, ohne viel Essen - auch dieser Ruf verfolgt Glutamat. Laut einer Studie der Universität North Carolina mit chinesischen Frauen und Männern legten Menschen, die viel Glutamat verwendeten, mehr an Gewicht zu als eine Kontrollgruppe. Auch in Tierversuchen haben Forscher schon auf einen Zusammenhang zwischen Glutamat und Übergewicht hingewiesen. Glutamat soll im Gehirn die Wachstumssteuerung anregen und ein künstliches Hungergefühl hervorrufen. Der Geschmacksverstärker beeinflusst also möglicherweise die Appetitregulation. Die Wiener Ernährungswissenschafterin Petra Rust vermutet hinter dem Phänomen noch etwas anderes: "Vielleicht hängt ein hoher Glutamatkonsum auch mit einem weniger gesunden Lebensstil zusammen."

Keine Beweise für schädigende Wirkung

Die Blut-Hirn-Schranke bewahrt den gesunden Menschen vor einem schädigenden Einfluss von verschiedenen Stoffen auf das zentrale Nervensystem: "Selbst eine glutaminsäurereiche Ernährung hat keinen Einfluss auf die Glutamatkonzentration im menschlichen Gehirn", weiß Rust und auch die Wirkung auf den Blutglutamatspiegel entspräche den normalen physiologischen Schwankungsbreiten.

Auch die WHO und andere Expertengremien vertreten die Meinung, dass bei rationaler Verwendung im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung keine Gesundheitsgefahr besteht. "Mit normaler Mischkost nehmen wir täglich zehn bis 20 Gramm an Proteine gebundenes Glutamat und 0,3 bis 0,5 Gramm als Geschmacksverstärker auf", weiß Rust. Laut derzeitigem Wissensstand gilt: Menschen mit sensibler Reagibilität können nur versuchen Glutamat tunlichst zu meiden, allen anderen wird der ein oder andere China Restaurant Besuch oder eine Tüte Chips nicht schaden. Inwieweit ein gestörter Gehirnstoffwechsel bei der Verstoffwechslung von Glutamat problematisch sein kann, wäre jedenfalls noch eine weitere Untersuchung wert. (derStandard.at, 18.2.2010)