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Ed Ruscha ist in München eine Retrospektive gewidmet.

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Tiefblauer Himmel. Imposantes Gebirgsmassiv, jedes Schneebrett ist darauf zu erkennen, jeder scharfkantige Fels, jeder Schatten und als dunkle Silhouetten Bäume. Ganz rechts, relativ klein, relativ unauffällig, zwei Buchstaben: Me. Ich. Dieses Bild malte Ed Ruscha im Jahr 1999.

Es ist eines aus einer Reihe von fast hyperrealistischen Ansichten, in denen das, was Berge an majestätischer Ehrfurcht, Staunen und weiteren Klischees transportieren, durchkreuzt wird: Durch banale Worte, die darüber schweben, wie Baby Jet oder ein trockenes The oder der Firmenname 20th Century Fox. Ruscha kehrte damals, wie in seiner großen Werkschau in München 70 Arbeiten illustrieren, zu seinen malerischen Anfängen zurück. Zu seinen Vexierbildern aus den 1960er-Jahren, auf denen er einzelne Worte, Oof, Noise oder Boss, auf einfarbigen Untergrund malte.

Walt Disneys Einfluss

Ruscha, geboren in Nebraska und aufgewachsen in Oklahoma City in den 1950er-Jahren in einer gläubigen römisch-katholischen Familie, kam 1956 nach Los Angeles, um am Chouinard Art Institute zu studieren; diese Kunstschule wurde damals von Walt Disney finanziert. Noch 1997 nannte Ruscha in einem Interview auf die Frage nach seinen wichtigsten Einflüssen: "Meine Mutter, Norman Rockwell und Walt Disney."

Dafür, dass er seither immer in Los Angeles gewohnt hat, ist auf seinen Bildern wenig vom typischen Kalifornien zu sehen. Keine Palmen, kein Strand, keine Sonnenbadenden wie bei David Hockney. Genau einmal ist bei Ed Ruscha der Schriftzug Hollywood zu sehen, im Abendlicht, ganz klein. Und von hinten. Eines der Charakteristika der vielfach reproduzierten Bilder Ruschas, die im Original überraschend klein sind, ist die Abwesenheit des Menschen. Wörter spielen die Hauptrolle.

Ruscha, der 1972 an der Documenta 5 teilnahm, gilt als einer der wichtigsten lebenden amerikanischen Künstler nach 1960. Die von der Londoner Hayward Gallery organisierte Wanderausstellung - die letzte Station wird Stockholm sein - ist erstaunlicherweise erst seine zweite Europa-Tournee. Die erste liegt zwanzig Jahren zurück.

Gegen die Titulierung "Warhol der Westküste" hat er sich immer gewehrt. Zu Recht. Ruscha ist kein konsumberauschter Zyniker der Konsumgesellschaft, auch wenn er Werbung malt, Tankstellen, Werbeschriftzüge, Filmzitate - aber nie sarkastisch oder bitter.

Der eloquente 72-jährige, der vor zwei Jahren von der Männer-Zeitschrift GQ unter die "Ten Most Stylish Men in America" gewählt worden war, ist ein sacht melancholischer Ironiker. Das wird in all seinen Werkphasen deutlich: in der Pop Art der 1960er, den Experimenten der 1970er, bei denen er exotische Malzusätze wie Schellacks, Blut oder Eidotter verwendete; in den großen Formaten der 1980er, auf denen Slogans in einer von ihm selbst entworfenen Typografie vor Motiven wie Bergen, Sommerlandschaften, leeren Himmeln oder Wolken schweben; oder auch in der mit Spritzpistole entstandenen Schwarz-Grau-Serie, wo so verschwommen wie unheimlich Häuser zu sehen sind, eine Kirche, ein Wolf, ein Schiff.

Jehe Sprünge

Die jähen Sprünge in seinem Œuvre sind wohl kalkuliert. Nichts passiert auf Ruschas Bildern ohne Hintersinn, alles ist zugleich dem Paradox verpflichtet. Er ist ein Maler großer Dynamik, Geschwindigkeit erscheint aber stets seltsam eingefroren. Auch seine Wort-Bilder sind vertrackt raffinierte Fallen.

Worauf achtet man: auf die Sprache? Oder darauf, dass es sich um gemalte Sprache handelt, also um ein Bild? In einem seiner gelungensten Gemälde zitiert Ruscha aus Shakespeares Hamlet. "Words without thoughts never to heaven go" , heißt es da.

Kreisrund angeordnet, ein endloser Ringel, der nie im Himmel ankommt. (Alexander Kluy aus München, DER STANDARD/Printausgabe, 17.02.2010)