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Das berühmte Lächeln der Mona Lisa: Ausdruck verschatteter Mutterliebe?

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Wien - Über kein Bild der Welt wurde so viel räsoniert wie über dieses. Das rätselhafte Lächeln, die Lebendigkeit der dargestellten Person, die unwirkliche Landschaft im Hintergrund, die virtuose Maltechnik: Jedes Detail dieses undatierten und unsignierten Gemäldes wurde genauestens analysiert.

Die zentrale Frage, wer denn auf dem Bild zu sehen ist, galt seit Giorgio Vasari - dem ersten Biografen der neuzeitlichen Kunstgeschichte - als geklärt. Schon im 16. Jahrhundert schrieb Vasari, dass Leonardo da Vinci nach seiner Rückkehr nach Florenz, also in den Jahren zwischen 1500 und 1506, eine gewisse Lisa del Giocondo, die dritte Gemahlin des Florentiner Kaufmanns und Seidenhändlers Francesco di Bartolomeo di Zanobi del Giocondo, gemalt habe. Diese Erklärung wurde nicht wirklich hinterfragt.

Bis Roberto Zapperi sich zu Wort meldete. Man könnte den 1932 in Rom geborenen Schriftsteller und Historiker als literarischen Detektiv bezeichnen: Er untersuchte Goethes geheime Existenz in Rom und das geheime Leben von Papst Paul III. Und nun also die Mona Lisa. Für Zapperi steht fest: Auf dem Bild ist sicher nicht Lisa del Giocondo zu sehen.

Zapperi verlässt sich bei seinen Recherchen Abschied von Mona Lisa (Beck Verlag) nicht auf die Aussagen von Vasari, sondern konzentriert sich auf den Reisebericht eines gewissen Antonio de Beatis, der als Begleiter des Kardinals Luigi d'Aragona durch Frankreich reiste.

Im Landschloss Clos Lucé traf der Kirchenmann den Hofkünstler des französischen Königs Franz I., Leonardo. Dieser zeigte dem durchreisenden Kardinal drei Bilder, eines davon das berühmte Frauengemälde, so Zapperi. Leonardo sagte dem Kardinal, dass es sich um das Bildnis einer ihm unbekannten Florentinerin handle, die dem verstorbenen Guiliano de Medici offenbar sehr wichtig gewesen wäre - nicht die Ehefrau, so Zapperi, denn die kannte der Kardinal. Wer also dann?

Zapperi findet die Erklärung im ausschweifenden Leben Guiliano de Medicis. Mätressen waren nichts Außergewöhnliches, ebenso wenig uneheliche Kinder. Aus einer dieser Liebschaften entsprang im April 1511 ein Sohn namens Ippolito. Seine Mutter war Pacifica Brandani, die - weil verheiratet - das Kind in einem Findelhaus in Urbino abgab. De Medici nahm das Kind schließlich zu sich.

Weil sich Ipolito nach seiner Mutter sehnte, ließ de Medici - so Roberto Zapperis These - für seinen Sohn deren idealisiertes Bild malen. Da sie zu diesem Zeitpunkt schon tot war, musste sich Leonardo auf die Beschreibung Guiliano de Medicis beschränken. Das Lächeln sei laut Zapperi Ausdruck der "verschatteten Liebe der Mutter zu ihrem Kind, die weiß, dass keine Vereinigung mit ihrem Kind mehr möglich ist". Die Ausführungen klingen schlüssig. Aber auch sie fußen auf Spekulationen. Auf die wichtigste Frage weiß aber auch Roberto Zapperi keine Antwort: Warum es Menschen 500 Jahre nach Entstehen des Bildes kümmert, wie die Abgebildete geheißen haben mag.

Die Leonardo-da-Vinci-Hysterie bekommt jedenfalls neue Nahrung. Vielleicht ist das ja der wahre Grund für das verschmitzte Lächeln der Unbekannten. (Gerhard Pretting, DER STANDARD/Printausgabe, 17.02.2010)