Kabul - Mullah Abdul Ghani Baradar, der laut Washington und Islamabad vor einigen Tagen in Pakistan festgenommen wurde, ist die "Nummer zwei" der Taliban und Militärchef der radikalen Islamisten. Sein Spitzname Baradar wurde ihm von Taliban-Führer Mullah Mohammad Omar verliehen. Das kommt nicht von ungefähr: Der etwa 42-Jährige war seit dem Sturz der Taliban 2001 nicht nur Militärkommandant, sondern fungierte auch als Stellvertreter Omars in politischen Angelegenheiten in der pakistanischen Stadt Quetta, wo angeblich die Führungsriege der Taliban lebt.

Von Taliban-Funktionären heißt es, dass Omar in den vergangenen Jahren all seine Befehle an Feldkommandanten von Mullah Baradar übermitteln ließ. Er sei nicht bloß ein Stellvertreter, er ernenne und entlasse Taliban-Kommandanten, Strategien und Stellungnahmen verkünde er in seinem eigenen Namen. Auch verwalte er das Vermögen der Taliban - Hunderte Millionen Dollar aus Schutz- und Drogengeldern, "Wegegebühren" in den von ihnen kontrollierten Gebieten oder "wohltätigen Spenden", überwiegend aus Golf-Staaten.

Sammelte militärische Erfahrung während sowjetischer Besatzung

Wie Mullah Omar sammelte Baradar während der sowjetischen Besetzung Afghanistans in den 1980er Jahren militärische Erfahrung. Wie bei vielen Taliban war auch seine Erziehung stark vom Islam geprägt. Als die Taliban noch an der Macht waren, diente Baradar in verschiedenen hohen militärischen Positionen - darunter Vize-Verteidigungsminister - und war 2001, als die US-Truppen angriffen, der Kommandant im Norden Afghanistans. Angeblich hat er kurz entschlossen Omar mit seinem Motorrad in Sicherheit vor den Amerikanern gebracht. Im Zuge der US-geführten Invasion wurde er auch selbst verhaftet, konnte aber auf unerklärliche Weise fliehen.

In einem Interview mit dem US-Magazin "Newsweek" vergangenes Jahr sprach er über sein Ziel, die ausländischen Truppen aus dem Land zu jagen: "In jedem Winkel und jeder Ecke des Landes wütet der Geist des Jihad." Ein gutes Verhältnis zum US-unterstützten Pakistan, von wo aus er operierte und wo er auch festgenommen wurde, habe er nicht, sagte ein ehemaliger Taliban über Baradar. Die Regionalmacht hat strategische Verbindungen zu den afghanischen Taliban, die gegen die westlichen Militärmächte in Afghanistan kämpfen.

Wetthüpfen auf einem Bein

Baradars gutes Verhältnis zu seinem Chef Mullah Omar zeigte sich in für Taliban-Führer skurril anmutenden Momenten: So scherzten die beiden vor anderen Kameraden und einmal forderten sie einander sogar zum Spiel heraus, erzählte ein Funktionär der Nachrichtenagentur Reuters: Die beiden hüpften auf einem Bein um die Wette - Mullah Omar gewann.

Baradar soll im Gegensatz zu Omar einen effektiven und modernen Führungsstil pflegen, erzählen Taliban-Kämpfer - ohne jedoch den seit vier Jahren untergetauchten Omar offen zu kritisieren. Baradar unterliegt UNO-Sanktionen zu Afghanistan: So darf er nicht reisen, und das Vermögen das Afghanen, der in der Provinz Oruzgan geboren wurde und laut Interpol wie Präsident Karzai aus dem mächtigen Paschtunen-Stamm der Popalzai stammt, ist gesperrt. (APA)