Der indische Schauspieler und Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan bei der Pressekonferenz zu "My Name is Khan".

Foto: Elke Mader

Dieter Kosslick, der Direktor des Berliner Filmfestival, betont immer wieder die Bedeutung des Films für Kritik, Verständigung und Toleranz vor allem auch in Hinblick auf die weltpolitischen Konstellationen nach dem 11. September 2001. Ein Film, der in der Wettbewerbssektion außer Konkurrenz läuft, thematisiert dieses Szenario aus einer ungewöhnlichen Perspektive.

Abgrenzungsprobleme

Im Mittelpunkt der indischen Produktion My Name is Khan steht ein Mann indischer Herkunft und muslimischen Glaubens in den USA, der am Asperger-Syndrom, einer milden Form des Autismus, leidet. Rizvan Khan, feinfühlig verkörpert von Indiens Superstar Shah Rukh Khan, nimmt die Welt etwas anders wahr: Die Symptomatik seiner besonderen psychischen Befindlichkeit äußert sich in einer gewissen Distanz zu seinen Mitmenschen und deren Lebenswelt. Sie kommt nicht nur in einer Abneigung gegen Lärm und Umarmungen zum Ausdruck, sondern auch in der Fähigkeit, Abstand zu halten von Vorurteilen. 

Die Handlung des gemäß indischer Kinotradition episch langen Films erzählt seinen Lebensweg, in dem zwei Geschichten aufeinander prallen: Die Liebesgeschichte mit Mandira die seine Frau und die emotionale Achse seines Lebens wird, und die Geschichte der Ereignisse um und nach dem 11. September 2001. Dabei zeichnet der Film drastisch und dramatisch eine Welt der Brüche, die religiöse Differenzen, rassistische oder kulturalistische Zuschreibungen zwar keineswegs neu erschafft, aber doch neu situiert und vertieft. 

Offene Botschaften

Vieles zerbricht unter diesen politischen und gesellschaftlichen Spannungen: Fenster und Geschäfte von islamischen Bürgern oder solchen, die mit ihnen in einen Topf geworfen werden, aber auch Menschen und Beziehungen. Nach dem Tod ihres Sohnes durch einen Gewaltakt kann auch Mandira die Gegenwart ihres muslimischen Ehemanns nicht mehr ertragen: Sie trennt sich von ihm mit den Worten, er soll doch alle Menschen und dem Präsidenten der USA folgendes mitteilen: "My name is Khan - and I am not a terrorist."

Ein großer Teil des Films zeigt die Irrfahrten von Rizvan Khan kreuz und quer durch die USA in seinem Bestreben, den Wunsch seiner Frau wörtlich zu erfüllen. Ein wesentlicher Aspekt der Figur ist eine tiefe Religiosität, die auf islamischen Konzepten von Liebe und Frieden beruht und sich von gewaltsamen Auslegungen des Korans durch extremistische Gruppen abgegrenzt. Rizvan Khan trägt auch Züge eines "reinen Toren" sowie jene eines Don Quijote. Seine ungewöhnlichen und oft absurd wirkenden Sichtweisen und Handlungen verbunden mit seiner Liebe für Mandira, für die er alle Hindernisse überwindet, werden zu einem Spiegel für die Absurdität von Gewalt und Vorurteil.

Religion und Konflikt

My Name is Khan verweist er auf den größeren Zusammenhang von Konflikten in Verbindung mit religiösen, nationalen oder kulturellen Differenzen und Zuschreibungen. Karan Johar will den Film sowohl als eine Auseinandersetzung mit einer universellen Problematik verstanden wissen, als auch in Hinblick auf vergleichbare Konflikte am indischen Subkontinent, die sich auch rund um den Filmstart deutlich wurden. Eine Äußerung von Shah Rukh Khan zugunsten pakistanischer Kricketspieler in indischen Teams erregte den Unmut der Shiv Sena Partei (Hindu Nationalisten), die schon oft hinter Gewaltakten gegen die islamische Bevölkerung in Indien stand: zwei Wochen wurden in Bombay Plakate des Films verbrannt und Kinobesitzer bedroht, und der Filmstart in Bombay und Umgebung teilweise verhindert.

Die Kontroverse dominierte die Medien des Landes bis einen Tag nach dem Filmstart eine Bombe in einem Cafe in der Stadt Pune explodierte. Dieser Anschlag islamischer Extremisten steht in Zusammenhang mit Gipfelgesprächen zwischen Indien und Pakistan und soll eine Annäherung zwischen den beiden Staaten boykottieren.

Indisches Kino im Zeichen der Globalisierung

Der Film hat sich auch ein weiteres großes Ziel gesetzt: Er will Menschen erreichen, die nicht zum traditionellen Publikum des indischen Kinos zählen. 20th Century Fox verleiht My Name is Khan und am ersten Wochenende spielt er weltweit das beste Ergebnis ein, das ein indischer Film jemals am Weltmarkt hatte. Er besticht durch sein Thema, wunderbare Szenen und überragende schauspielerische Leistung, er verwebt Humor und Ernst, leidet aber vor allem gegen Ende an einer Überdosis von Melodrama sowie einer Überfrachtung mit Nebenschauplätzen und Handlungssträngen.

Für Shah Rukh Khan sind die Berlinale und das deutschsprachige Publikum wichtige Fenster zum Westen: "Ich hoffe, dass Filme wie My Name is Khan, die ein universelles Thema haben, auch weltweit verstanden werden. Sie beruhen auf dem emotionalen indischen Grundsatz, dass Liebe alles überwinden und erobern kann. Aber wir haben versucht den Film so zu gestalten, dass er auch dem westlichen Publikum gefällt und haben damit auch unbekanntes Terrain betreten." (Elke Mader, derStandard.at, 16.02.2010)