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Präsident und zwei Vizepräsidenten für die Wiedner Hauptstraße gesucht: Spitzenkandidat Christoph Leitl, SWV-Kandidat Christoph Matznetter, Matthias Krenn vom RFW, Volker Plass von der Grünen Wirtschaft und Richard Schenz von der Industrieliste.

Fotos: Cremer, AP (2), APA (2); Montage: Korn
Grafik: DER STANDARD

Von Wählertäuschung ist die Rede, von nordkoreanischem Personenkult, Manipulationen, falschen Wahllisten und mangelnder Fairness.

Dafür, dass das Endergebnis der Wirtschaftskammerwahlen bekannt ist - der Präsident wird aller Wahrscheinlichkeit nach wieder Christoph Leitl heißen -, schenken sich die antretenden Listen nichts. Das hängt damit zusammen, dass 9188 Funktionärsjobs für die nächsten fünf Jahre zu wählen sind und sich diesmal die kleineren Listen mehr Chancen ausrechnen, künftig mitreden zu können. Der Hauptgrund dafür ist, dass die wenig berechenbaren Klein- und Mittelunternehmen (KMUs) immer mehr werden und etwa in Wien mittlerweile die Mehrheit ausmachen.

Dementsprechend sind es KMUs, Unternehmensgründer und Migranten, die Christoph Matznetter vom sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) und Volker Plass von der Grünen Wirtschaft ansprechen wollen.

Es ist ein riesiger Wahlzirkus, der vom 27. Februar bis 2. März stattfindet. In 877 Einzelwahlen werden Fachgruppenausschüsse und Fachvertretungen direkt gewählt. Danach werden die Mandate auf mehreren Ebenen hochgerechnet, sodass erst bis zum Juni Wirtschaftsparlament, Kammerpräsidenten der Länder und der Bundesorganisation feststehen.

Die Nervosität, die sich im Vorfeld breitmacht, hängt mit der ständig gesunkenen Wahlbeteiligung zusammen. 2005 gingen gerade mal 48 Prozent der Wahlberechtigten wählen. Heuer sind es 418.000 Unternehmer, die aufgrund von Mehrfachmitgliedschaften 560.00 Wahlrechte haben. "Eine weiter gesunkene Wahlbeteiligung kratzt an der Legitimität des Apparats", erklären nicht immer wohlwollende Kammermitglieder, die sich darüber mokieren, dass Spitzenfunktionäre, die ansonsten lieber auf Export-Ankurbelungsmission in fernen Ländern weilen, plötzlich in mittelgroßen Bezirksstädten auftauchen. Auch mit der Forcierung der Briefwahl will man die Unternehmer bei der Stange halten. Trotzdem verfolgt der dominante Wirtschaftsbund das Ziel, bei den Landeskammerpräsidenten "alle neune" zu stellen - ein Vorhaben, das in Wien und Kärnten wackelt.

Spannend wird es in Wien, wo schon 2005 der Wirtschaftsbund-Vorsprung knapp war, sich Rote und Grüne aufgrund der bunten, kleinstrukturierten Unternehmen einiges ausrechnen und außerdem gleich zwei freiheitliche Listen antreten. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache lässt in Wien eine eigene Liste gegen den RFW (Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender) aufmarschieren. Wohl auch zur Abgrenzung, denn im Wiener RFW ist mit Detlev Neudeck ein BZÖ-Mann Obmann. Neudeck war einst FPÖ-Abgeordneter und für die Parteifinanzen verantwortlich. Strache und FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf schicken die Ex-Pressesprecherin von Thomas Prinzhorn, Barbara Kappel, ins Wiener Rennen.

Überall in den Bundesländern wurden in den letzten Tagen die gegenseitigen Anschuldigungen schärfer. Der SWV hat den Wirtschaftsbund im Verdacht, in Wien Wahlmanipulation zu betreiben. In der Steiermark verdächtigt der RFW den SWV, Briefe zu verschicken, die als Wirtschaftskammer-Informationen getarnt waren, in Wirklichkeit aber Wahlwerbung seien.

Die Grünen unter Volker Plass bemängeln den bürokratischen Aufbau der Wahlen, der Großparteien bevorzuge. Eine Eingabe bei der Wahlkommission, dem Wirtschaftsministerium, dass der Wahlmodus gleichheitswidrig sei, endete vorerst damit, dass die Kammer zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde. Erst nach der Wahl denke man einen Gang zum Verfassungsgerichtshof an, so Silvia Buschenreiter, Geschäftsführerin Grüne Wirtschaft. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Printausgabe, 16.2.2010)