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Im Winter macht ein weißes Fell wenig Unterschied. Im Sommer bewahrt es Schimmel vor lästigen Bremsen, die Weiß schlechter sehen können.

Foto: APA/EPA/FRANK RUMPENHORST

Budapest - Ein heißer Sommertag im nordungarischen Hügelland. Auf einer Wiese grasen zwei Pferde, ein braunes und ein weißes. Die Tiere machen einen unruhigen Eindruck. Ständig schwingen sie ihre Schweife, lecken sich oder scheuern ihren Bauch mit einem Hinterbein. Zwei Personen stehen seelenruhig daneben. Immer wieder fotografieren sie die Pferde und machen Notizen. Was geht hier vor?

Die Menschen sind Angehörige eines internationalen Forscherteams unter Leitung des ungarischen Biophysikers Gábor Horváth von der Budapester Eötvös Universität. Die Unrast der Pferde hat einen guten Grund: Sie werden ständig von blutsaugenden Bremsen attackiert und versuchen diese zu vertreiben. Doch das Abwehren hält die Tiere immer mehr vom Fressen ab. Gegen 13 Uhr geben sie schließlich entnervt auf und ziehen sich in ein angrenzendes Waldstück zurück. Dort werden sie weniger gestört.

Das Beobachten der Pferde soll einen Verdacht bestätigen: Die Forscher vermuten, dass weiße Pferde aufgrund ihrer Fellfarbe deutlich weniger von den geflügelten Plagegeistern heimgesucht werden als dunkel gefärbte Artgenossen. Die Vermutung bestätigt sich. Auf den hochauflösenden Bildern sind die Bremsen klar erkennbar. Beim braunen Pferd zählen die Forscher 450 solcher Insekten, beim weißen nur 110.

Die Augen der Bremsen

Der unterschiedliche Grad der Belästigung ist eine Frage der Optik. Die Augen von Bremsen reagieren äußerst sensibel auf horizontal polarisiertes Licht. Die Tiere nutzen diese Fähigkeit unter anderem dazu, um Gewässer aufzuspüren, in denen sie ihre Eier ablegen. Aber offensichtlich nicht nur dafür. Bremsen werden auch von dunkel glänzenden Pferde-Attrappen anzogen, stellten die Forscher fest. Weiße fanden die Insekten dagegen uninteressant.

Die Reflexion macht's. Bei einem dunklen Fell ist die Intensität des nur schwach polarisierten, gestreuten Lichts viel geringer als der polarisierte Anteil, schreiben Horváth und Kollegen in den Proceedings of the Royal Society B. Weißes Fell dagegen hat eine viel höhere rückstrahlende Komponente mit geringer Polarisierung. Dadurch sind die Tiere für Bremsen nicht so gut sichtbar.

Ein struppiges Fell ist ebenfalls vorteilhaft, wie Gábor Horváth gegenüber dem Standard erklärt. "Während eine glänzend braune Pferdemutter kontinuierlich angegriffen wurde, blieb ihr Fohlen mit mattem Fell direkt neben ihr verschont."

Gleichwohl orientieren sich die Insekten nicht nur optisch. "Der Geruch der Wirtstiere und deren ausgeatmetes Kohlendioxid sind ebenfalls wichtig", sagt Horváth. Allerdings hätten sich die Bremsen bei einem Versuch eher von einer dunkel glänzenden Oberfläche anlocken lassen als von einem matten, mit Pferdeschweiß durchtränkten Tuch. Anscheinend sei unter bestimmten Bedingungen der optische Reiz wichtiger als der olfaktorische, so der Forscher.

Dies ist das erste Mal, dass Wissenschafter einen biologischen Vorteil für Lipizzaner und andere Schimmel gegenüber dunkler gefärbten Tieren entdecken. Ansonsten leiden die Weißfelligen überdurchschnittlich oft unter Hautkrebs und einer genetisch bedingten Sehstörung. In freier Wildbahn sind weiße Pferde zudem besser sichtbar für Raubtiere und somit leichtere Beute.

Menschen könnten sich durchaus mit weißer Bekleidung vor Bremsen schützen, meint Horváth, aber dieser Schutz sei wohl nicht vollständig. Schließlich geben auch wir Duftsignale ab. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14. Februar 2010)