Grafik: STANDARD

Das Ausmaß der Steuerhinterziehung in der Schweiz ist laut einer neuen Untersuchung weit größer als bisher vermutet. Demnach versteuern Anleger nur ein Fünftel der Gelder, Österreicher sogar nur ein Zehntel.

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Genf/Wien - Viel Schwarzgeld liegt in der Schweiz. Doch über diese Binsenwahrheit hinaus wusste man bisher wenig über Herkunft und Ausmaß der nicht deklarierten Mittel in der Eidgenossenschaft. Eine neue Untersuchung des auf Finanzrecherchen spezialisierten Genfer Unternehmens Helvea führt nun zu einer Auflistung, die ausländische Steuerbehörden interessieren dürfte. Demnach haben Anleger aus EU-Staaten 862,9 Mrd. Franken in der Schweiz gebunkert. Davon wurden 16 Prozent deklariert.

Nur elf Prozent aus Österreich deklariert

Österreicher horten demnach 20,4 Milliarden Franken im Nachbarland, von denen nur elf Prozent deklariert sind. Die größte Investoren-Community im Bankenparadies stellen nicht ganz überraschend Deutsche dar, die auf 280 Milliarden Franken kommen. Immerhin deklarieren die Deutschen ihr Vermögen zu fast einem Drittel. Die Untersuchung, die dem STANDARD vorliegt, wird wohl für zusätzlichen Gesprächsstoff bei dem für Sonntag anberaumten Treffen der deutschsprachigen Finanzminister sorgen.

Auch die aggressive Vorgangsweise der italienischen Finanz in Sachen Steuerhinterziehung über die Alpen wird mit dem Bericht plausibel. Die Italiener bilden laut Helvea nicht nur die zweitgrößte Gruppe der Anleger in der Schweiz, sondern sind mit 99 Prozent Schwarzgeld gemeinsam mit Griechen die intensivsten Hinterzieher.

Quellensteuer als Basis

Da stellt sich natürlich die Frage, wie das Unternehmen angesichts der hohen Diskretion zu den Zahlen gelangt. Als Basis fungierten die Quellensteuereinnahmen, die zu drei Vierteln an die Finanzämter der Herkunftsländer der ausländischen Investoren überwiesen werden. Aus Durchschnittswerten über Portfolioveranlagungen werden Umgehungsprodukte, bei denen die EU-weite Zinsertragssteuer nicht anfällt, eingerechnet. Damit hätten die Experten einmal die Summe der Gelder geschätzt. Zudem gibt es die Option, die Erträge in die Steuererklärung aufzunehmen. 2007 zählte Helvea 64.516 derartige Fälle. Aus der Häufigkeit dieser Deklarierungen nach Nationalität der Anleger wird in der Untersuchung der Anteil der Schwarzgelder hochgerechnet.

Obwohl der größte Brocken der Schweizer Gelder aus der EU stammt, macht er nur etwas mehr als ein Drittel der insgesamt von Ausländern gebunkerten Mittel von 2,2 Billionen Franken aus. Diese Summe lag 2007 noch bei 3,1 Billionen und ist 2008 infolge der diversen Steueraffären und des verstärkten Drucks internationaler Finanzermittler sowie wegen rückläufiger Wertentwicklung an den Finanzmärkten deutlich zurückgegangen. Laut Schweizer Nationalbank stammen 60 Prozent der in dem Land veranlagten Vermögen aus dem Ausland.

Doch die diversen Steueraffären setzen dem Finanzplatz zu. Die Zahl der Selbstanzeigen bei den deutschen Behörden ist in den vergangenen Tagen einer Umfrage der Nachrichtenagentur DAPD zufolge sprunghaft gestiegen. 850 Anleger wandten sich demnach an die Finanz (siehe Artikel). (as, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14.2.2010)