Dokument einer Finanzkrise: Quentin Massys "Steuereintreiber" aus der Sammlung des Fürsten Liechtenstein.

Foto: Liechtenstein-Museum Wien

Wien - Ein Sommerabend auf einer Insel in der Ägäis endet für Johann Kräftner mit einer Schrecksekunde. Niemals würde ihn die Tankfüllung seines Mietwagens bis zum Flughafen bringen. Der anderntags um fünf Uhr morgens angesetzte Flug Richtung London ist aber zwingend.

Peter Paul Rubens' Massaker der Unschuldigen (Bethlehemitischer Kindermord) gelangt dort bei Sotheby's zur Auktion. Die einzige Tankstelle ist längst geschlossen. Der Chefkurator und -einkäufer der Liechtensteinischen Sammlungen schnappt sich einen Kanister und schnorrt sich durch die Dorfgemeinschaft.

Vergeblich. Nicht der leere Tank, sondern der kanadische Medientycoon Kenneth Thomson erteilte ihm und Fürst Hans-Adam II. als hartnäckiger Gegenbieter eine Abfuhr. Rund 70 Millionen Euro waren mehr, als der Fürst zu zahlen bereit gewesen wäre. Trotz Kräftners Herzblut: Eine Budgetgrenze gab und gibt es immer.

Seit dessen Berufung zum Direktor der fürstlichen Sammlungen (Vaduz) 2002 gilt das Liechtenstein-Museum (Wien) als jenes mit der derzeit aktivsten Ankaufspolitik in Europa, wenn nicht weltweit.

Reorganisationen

Bis in das 17. Jahrhundert reicht die Sammeltätigkeit des Fürstenhauses zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg sah man sich jedoch gezwungen, Kunstwerke zu verkaufen. Lücken, die damals die Existenz der Familie sicherten, aber bis heute schmerzen, wie der Fürst eingesteht. Chancenlos, Leonardos Porträt der Ginevra de' Benci, 1967 an die National Gallery (Washington) verkauft, jemals wieder zum Bestand zählen zu dürfen.

Eine Reorganisation der Verwaltung und des Vermögens später begann der aktuelle Regent wieder mit Ankäufen. Weniger aus Interesse an der Kunst als der Tradition verpflichtet, wie Fürst Hans-Adam II., der am 14. Februar seinen fünfundsechzigsten Geburtstag feiert, erklärt. Ein Dilettant sei er nach wie vor, aber mit stärkerem Interesse und besserem Verständnis.

Mehr als 700 Neu- und Rückerwerbungen darf sich der Jubilar an die fürstlichen Fahnen heften, darunter Quentin Massys' Steuereintreiber, das mitten in einer Finanzkrise in Antwerpen, der damaligen Wiege des Kapitalismus, entstand und die Gefahren der Habgier und des Geizes thematisiert.

Die 2008 aus dem englischen Kunsthandel erworbene Holztafel ist eines der 140 zu einer Ausstellung komponierten Meisterwerke: Unter der Regie Johann Kräftners entstand mit Der Fürst als Sammler eine fachlich ausgewogene und inhaltlich wohlproportionierte Präsentation, in der spannende Dialoge ein fixer Bestandteil sind. Etwa zwischen einem Sèvres-Dejeuner aus feinstem Porzellan von 1812, dessen Dekor die legendären Pietra-Dura-Arbeiten der Florentiner Meister zitiert.

Schräg vis-à-vis thront mit dem Badminton Cabinet der vier Meter hohe Superlativ des Medici-Tischlers, für den man 2004 bei Christie's etwas mehr als 27 Millionen Euro springen ließ. Bis heute das teuerste Möbel der Welt und der kostspieligste Ankauf des regierenden Fürsten. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/Printausgabe, 13./14.02.2010)