"Christus vor Pilatus" : Laut Kinsky-Auktionskatalog hatte diese Arbeit von Ernst Fuchs einen Schätzwert von 130.000 bis 200.000 Euro. Die Bezeichnung "Pastell auf Leinwand" müsste wohl um "Übermalungen eines Digitaldrucks auf Leinwand" ergänzt werden.

Foto: Im Kinsky, Katalog 02/2009

Das auch als Motiv einer im Museumsshop erhältlichen Postkarte bekannte - hier auf fast 4,5 mal 4 m vergrößerte - "Urteil des Paris" als noch unbearbeiteter Digitaldruck (samt Druckkontrollleiste am Bildrand) bei Auteno.

Fotos: Robert Newald

Drei Jahre und einen Konkurs später sucht man rund 30 "Originale", die sich teils als Digitaldrucke entpuppen.

Pilatus' Image ist kein sonderlich gutes. Immerhin verdankt ihm der Volksmund Redewendungen wie "die Hände in Unschuld waschen" oder "von Pontius zu Pilatus laufen". Und davon kann Ernst Fuchs im übertragenen Sinn ein Liedchen trällern. Nicht nur, aber auch wegen eines motivisch anverwandten Kunstwerks. Im Februar 2009 hätte in seinem Auftrag das Christus vor Pilatus betitelte und auf 130.000 bis 200.000 Euro taxierte Werk im Kinsky versteigert werden sollen. Dazu kam es nicht. Weil, wie Otto-Hans Ressler erklärt, das Werk nie den Weg in das Auktionshaus an der Freyung fand. Dabei hätte man sogar einen Käufer. Theoretisch stünden dem Auktionshaus etwa 40.000 Euro an Zurückziehungsgebühr zu.

Die Ursache für den misslungenen Verkauf ist eine komplexe Geschichte, die 2007 ihren Ausgang nahm. Das einige Monate zuvor gegründete Auktionshaus Auteno – zu seinen Gesellschaftern gehört der oberösterreichische Kunsthändler Jürgen Hesz, sowohl direkt über seine Privatstiftung (Wels) als auch indirekt über die an gleicher Adresse registrierte Turtle Technology AG (60 Prozent) – erwog eine Charity-Auktion, bei der Ernst Fuchs eine Rolle spielen sollte.

Dazu, erinnert sich Auteno-Geschäftsführer Gerhard Hubmann, kam es aus Kostengründen nicht. Jedoch fanden die adaptierten Räumlichkeiten der ehemaligen Elin-Werke (22. Bezirk) den Gefallen des Meisters, erinnert sich Anni Fuchs, Schwiegertochter des Künstlers und Geschäftsführerin des Fuchs-Museums. Fortan sollte ein Teil des Obergeschoßes von Fuchs und seinen Schülern als Atelier genutzt werden. Parallel wollte Auteno sich um den Verkauf einiger Werken kümmern und damit mehr oder weniger die Funktion einer Galerie übernehmen.

Zu den Bewunderern der dort gezeigten Bilder gehörte auch Frank Stronach. Für etwas mehr als eine Million Euro erwarb er drei Arbeiten, woraus Auteno wiederum einen Provisionsanspruch von 300.000 Euro ableitete. Zu Unrecht, betont Anni Fuchs, man sei ja mit dem Industriellen längst in Kontakt gewesen. Einige Streitgespräche und Monate später sollte ein Vertrag zumindest die weitere Zusammenarbeit klären.

Am 9. Juli 2008 unterzeichneten Gerhard Hubmann (Auteno) und Manfred Pilgerstorfer als von Ernst Fuchs bevollmächtigter Anwalt eine entsprechende Vereinbarung. Diese klärte einerseits, welche der 31 bei Auteno präsentierten bzw. in Arbeit befindlichen Kunstwerke zu welchem Preis verkäuflich seien. In einem dem Vertrag beigefügten Anlageverzeichnis findet sich auch genanntes "Christus vor Pilatus, Pastell auf Leinwand, 265 x 204 cm, 250.000 Euro". Andererseits einigte man sich zu Details wie künftigen Provisionsansprüchen Autenos, schloss ein Pfandrecht dezidiert aus, vereinbarte aber im Falle nachfolgender Provisionsforderungen ein "Zurückbehaltungsrecht in einem dem Wert angemessenen Ausmaß" . Mit ihrer Unterschrift bestätigten beide Parteien auch, "dass aus bisherigen wirtschaftlichen bzw. rechtlichen Verhältnissen keine wechselseitigen Forderungen offen sind". Die Sache schien bereinigt.

Abmachung beim Essen

Als Familie Fuchs kaum ein halbes Jahr später das Pastellbild zum Zwecke der Versteigerung beanspruchte, wurde allerdings die Herausgabe verweigert. Das Argument: Jürgen Hesz habe als Eigentümervertreter Autenos mit Ernst Fuchs hinsichtlich der Stronach-Provisionsansprüche eine andere Abmachung getroffen, die man während eines Mittagessens bei Plachutta am 25. Juni 2008 schriftlich festhielt und unterzeichnete. In dieser sogenannten "Plachutta-Vereinbarung" einigte man sich auf fünf Ratenzahlungen an Auteno.

Laut Jürgen Hesz hätte der Künstler in dieser Sache explizit um Stillschweigen ersucht. Wohl aufgrund der zwei Wochen später unterzeichneten und rechtswirksamen Vereinbarung bezahlte Fuchs keine der Raten. Auteno zog den vermeintlichen Trumpf, behielt aber nicht nur Bilder im Umfang eines "angemessenen Ausmaßes" bzw. zum Gegenwert des strittigen Betrags von 300.000 Euro zurück, sondern alle.

Sicherstellung

Namens seines Mandanten klagte Manfred Pilgerstorfer Ende Jänner 2009 auf Herausgabe des Christus vor Pilatus. Im August 2009 entschied das Handelsgericht zugunsten von Fuchs. Auf Basis der vorgelegten "Plachutta-Vereinbarung" – im Zuge der Verhandlung erklärte der Maler seine Unterschrift mit einem Autogrammwunsch – konnte das Gericht keine Forderung der Beklagten feststellen. Diese habe das streitgegenständliche Bild innerhalb von 14 Tagen auszufolgen.

Das tat Auteno nicht und wählte den Weg der Berufung. In dieser soll eine weitere Vereinbarung zwischen Auteno und der LVH Liegenschaftsverwaltungs- und Handels GmbH eine Rolle spielen. Zum besseren Verständnis: Gesellschafter der LVH ist zu 99,9 Prozent wiederum die Hesz'sche Privatstiftung. In dieser Vereinbarung vom 7. Juli 2008 spielt neuerlich die Stronach-Provision eine Rolle: Unterschrieben wurde sie von Günther Ritz, Vorstand der Turtle Technology (= Auteno-Gesellschafter) und Piero Spetic, bis Februar 2009 Geschäftsführer der LVH. Inhalt ist die Abtretung der Provisionsforderung aufgrund von Mietschulden Autenos (315.987,76 Euro, Stand Juni 2008) an die LVH sowie ein daraus abzuleitendes Pfandrecht.

In seiner Funktion als Auteno-Geschäftsführer erteilte Gerhard Hubmann am 27. August 2008 in einer handschriftlichen Ergänzung ausdrücklich seine Genehmigung zu dieser Vereinbarung. Und das, obwohl seit dem am 9. Juli von ihm und Pilgerstorfer unterzeichneten Vertrag exakt diese Punkte als ausgeschlossen bzw. bereinigt galten. Als Sicherstellung behielt Auteno die "Füchse" weiterhin.

Parallel dazu geriet Auteno zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Im November 2009 wurde das Konkursverfahren eröffnet, am 7. Dezember von der Masseverwalterin die Schließung des Unternehmens angeordnet. Das Ergebnis der Prüfungstagsatzung Ende Jänner 2010: 115 Gläubiger meldeten Forderungen im Umfang von 5,7 Millionen Euro an. Laut Hesz entfiele der Großteil auf Eigenkapital-Zuschüsse (etwa 1,8 Mio Euro) sowie Mietschulden Autenos gegenüber der LVH.

Wo sind die Werke?

Ernst Fuchs ist der prominenteste Gläubiger. Im Zuge der Bestandsaufnahme war der Masseverwalterin bezüglich des Verbleibs der Fuchs-Werke mitgeteilt worden, dass die 31 Bilder – gemäß dem Verzeichnis vom Juli 2008 im Wert von fast sechs Millionen Euro – zur Tilgung der Mietschulden von etwas mehr als einer Million Euro – an die LVH verpfändet worden seien. Wo sich die Werke nun befinden? 29 seien seit dem Frühjahr 2009 bei einer Spedition eingelagert, erklärte Jürgen Hesz dem Standard. Zwei Großformate warten hingegen in der Auteno-Halle auf Abholung.

Ein Lokalaugenschein Anfang dieser Woche bestätigte dies, ergab aber auch ein interessantes Detail: Bei den im Verzeichnis als "Öl auf Leinwand" bezeichneten Werken Das Urteil des Paris und Triumph Christi handelt es sich tatsächlich um noch unbemalte Drucke. In einer Art Malen nach Zahlen, erklären Hesz und Hubmann, hätten diese, wie andere zuvor, noch von Fuchs-Schülern bemalt werden sollen. Die Geschäftsführerin des Fuchs-Museums bestätigt dieses Verfahren, den großflächigen Vorarbeiten folge aber stets die Feinjustierung seitens des Meisters.

Um die Fuchs-Signatur ergänzt, repräsentieren diese Werke laut dem Verzeichnis einen stolzen Verkaufswert von 600.000 bzw. 450.000 Euro. Experten würden den Wert angesichts der nur eingeschränkt mit klassischen Originalen vergleichbaren Produktionsweise wohl etwas niedriger bemessen. Ja, auch Christus vor Pilatus ist ein solcher Fall, wie Anni Fuchs bestätigt. Eine aufgrund der digitalen Vorlage für den Malenden mit deutlich weniger Aufwand verbundene, durchaus ausgefuchste Arbeitsweise. (Olga Kronsteiner, ALBUM – DER STANDARD/Printausgabe, 13./14.02.2010)