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Proteste gegen geplante Sparmaßnahmen in Athen, der griechische Premier George Papandruou als Harlekin. Das Loch in der Staatskasse ist auch deswegen so groß, weil dieSteuermoral so gering ist.

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Seit Jahren schreiben sich die griechischen Regierungen den Kampf gegen die Korruption auf ihre Fahnen und versprechen, diese zu beseitigen. Das traurige Fazit: Im so genannten CPI-Index von Transparancy International (TI) rutschte Griechenland 2009 unter 180 Ländern von Platz 57 (2008) auf den 71. Platz ab. Im Olympia-Jahr 2004 rangierte es auf Rang 49. Jetzt liegt es weit hinter Botswana, dem Oman, der Türkei oder Georgien.

Die "Korruption" hat sich fest im Staatsapparat sowie in der Wirtschaft eingenistet; beim Finanzamt, bei der Baubehörde, im Gesundheitswesen. Fast überall kommt man mit einem "Fakelaki" (Briefumschlag mit Bargeld) schneller zu einer Schuldenregelung, zu seiner Baugenehmigung oder in den OP. Laut TI ließen sich die Griechen 2008 die "Fakelakia" 748 Mio. Euro kosten.

Unternehmen sollen Schätzungen zufolge fast eine Milliarde Euro pro Jahr für "Bakschisch" ausgeben, um bürokratische Hindernisse zu umgehen oder andere Dienste zu erkaufen. Vor wenigen Tagen wurden in Nordwestgriechenland zehn Zollbeamte festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, gegen Schmiergeld zwischen 2006 und 2010 mehr als 16.000 Lkws unkontrolliert passiert haben zu lassen. Internationalen Organisationen zufolge belaufen sich die Korruptionszahlungen in Griechenland auf 3,5 Milliarden jährlich oder auf 1,75 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.

Geld nehmen auch die Parteien - unter der Hand. In einem Parlamentsausschuss wird derzeit die Siemens-Affäre untersucht. Ein Ex-Manager des Konzerns in Griechenland nannte seine Zahlungen an hiesige Parteien "politische Landschaftspflege" . Ein Journalist sagte aus, dass die sozialistische Pasok und die konservative ND seit den 1980er-Jahren kontinuierlich Unterstützung von Siemens erhalten hätten. Der Wahlkampf 2000 beispielsweise habe die beiden zusammen etwa umgerechnet um die 65 Millionen Euro gekostet, als staatliche Parteienfinanzierung erhielten sie aber nur 12 Mio. Euro. Woher kam der Rest?

Ausufernde Schattenwirtschaft

Ein Loch in den Staatssäckel schlägt wiederum die Schattenwirtschaft. In Griechenland beziffert man sie auf zirka 25 Prozent des BIPs pro Jahr (65 Milliarden Euro), und die Steuerhinterziehung erreicht die stattliche Summe von etwa 20 Milliarden Euro.

Von Klempnern, Tischlern und Taxifahrern eine Quittung mit der angeführten Mehrwertsteuer zu erhalten, gleicht einem Spießrutenlauf. Finanzminister Georgios Papakonstantinou warf Ärzten im Athener Nobelviertel von Kolonaki vor, notorische Steuerschwindler zu sein. Ein Promi-Doktor deklarierte für das Jahr 2008 monatliche Einnahmen von nur 300 Euro. Dutzende seiner Kollegen wollen pro Monat 1000 Euro verdient haben.

Dem Staat gehen außerdem jährlich etwa 2,5 Milliarden Euro durch die Lappen, die aus dem Schwarzhandel mit Treibstoffen sowie der illegalen Prostitution herrühren. Der Athener Bürgermeister Nikitas Kaklamanis enthüllte in dieser Woche, dass in der Hauptstadt 250 Bordelle betrieben würden, nur sieben davon hätten eine Genehmigung.

Die "tragische Lage" kommentierte der Politik- und Sozialwissenschaftler an der Universität Athen, Paris Varvaroussis, mit den Worten: "Die Botschaft muss von der Politik kommen. Die Skandale beispielsweise, von denen wir ständig erfahren, dürfen nicht ad acta gelegt werden. Wenn der Bürger sieht, dass die Politik verantwortungslos handelt und ihr kein Vertrauen entgegengebracht werden kann, dann kommt es dazu, dass auch der Bürger in das Korruptionssystem einsteigt und sein Eigeninteresse in den Vordergrund stellt." (Robert Stadler aus Athen, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.2.2010)