Lotosformen von Karin Sulimma, die sich spiegeln und den Raum zwischen ihnen fassen: "LotosVerde" (2009/2010)

Foto: Galerie Stock

Die Lotosblüte - in weiten Teilen Asiens ist sie ein Symbol für Reinheit und Erleuchtung; im Buddhismus ist die schmutzabweisende Pflanze sogar ein Sinnbild für das unbefleckt bleibende Wesen des Menschen, das vom Schlamm der Welt nicht verdorben werden kann - und ein Zeichen für den Lauf der Zeiten, der immer wieder in unruhige Gewässer führt.

Der Lotos, dessen Formen Karin Sulimma in Plastiken und Papierarbeiten andeutet, ist gewissermaßen ein Schutzgeist, der gegen den Dreck der Welt immunisiert. Eine Reaktion auf Krisenstimmung, Dekadenz, Überfluss und Oberflächlichkeit - kurz gefasst eine Antwort auf die "Fin de siècle"-Stimmung", wie die Ausstellung in der Galerie Michaela Stock formuliert und kurzerhand die "finale" Atmosphäre vor dem Ersten Weltkrieg auf die startende Dekade des dritten Jahrtausends überträgt: Fin de siècle! - den ländlichen Sonnenschein verwursten titelt die Ausstellung in der kürzlich mit einem der Förderpreise 2009 der Stadt Wien ("Das engagierte Auge") bestätigten Galerie.

Die Schau führt zwei Taktiken im Umgang mit dem alltäglichen Dreck vor, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten - eine spannungsvolle, kontrastreiche Kombination: Stephanie Guse (geb. 1971), die unter anderem bei Heimo Zobernig studierte, wehrt die bösen Geister nicht ab. Im Gegenteil: In Form von wertlosen Materialien, Abfallprodukten des Produktionswahnsinns werden sie einverleibt, um dann verwoben mit privaten Motiven ideell aufgewertet oder zumindest neutralisiert zu werden.

Dieser eher schrillen Praxis steht die stille, ruhige Formgebung Karin Sulimmas (geb. 1962) gegenüber. Sulimma, die in den 1980er-Jahren bei Bruno Gironcoli Bildhauerei studierte, nutzt die plastische Arbeit als Vehikel der Bildkonstruktion. Die im Dialog aufgestellten Gefäßhälften bzw. ihre Abdrücke denken stets ihr Gegenüber mit, thematisieren den Raum dazwischen. Von den Kanten der Objekte nimmt sie Linien ab, die sie ins Zweidimensionale überträgt. Meditativ. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.2.2010)