Strassburg - Nicht alle Europa-Abgeordneten wollen der Aufnahme der Beitrittsländer in die EU bei der "historischen" Abstimmung morgen, Mittwoch, in Straßburg zustimmen. Am meisten Widerstand kündigte sich am Dienstag am Rande der Plenartagung gegen die Tschechische Republik wegen der ausstehenden Versöhnungsgeste gegenüber den Vertriebenen an. Aber auch Polen muss wegen seiner "zu amerikafreundlichen Haltung" im Irak-Krieg mit etlichen Gegenstimmen rechnen.

Breite Mehrheit für Erweiterung erwartet

Trotz der erwarteten Querschüsse zeigten sich sowohl SPÖ-Delegationsleiter Hannes Swoboda wie auch seine ÖVP-Kollegin Ursula Stenzel am Dienstag überzeugt, dass eine breite Mehrheit des Parlaments grünes Licht geben wird. Benötigt wird dafür eine absolute Mehrheit von 314 Stimmen. Das Parlament kann nichts am Inhalt der mit den zehn Beitrittsländern ausverhandelten Verträge ändern, da es formal nur über die Beitrittsgesuche und nicht über die ausgehandelten Beitrittsverträge abstimmen kann.

Abgeordnete vermissen "versöhnliche Geste" aus Prag

Der Widerstand geht querbeet durch die Fraktionen. Die zehn bayerischen CSU-Abgeordneten wollten geschlossen gegen Tschechien stimmen, hieß es am Vorabend des Votums in Parlamentskreisen. Von den fünf österreichischen Freiheitlichen kündigte Wolfgang Ilgenfritz sein Nein gegen Tschechien an mit der Begründung, dass Prag trotz mehrmaliger Aufforderungen bisher keine "eindeutige versöhnliche Geste" gegenüber den nach dem zweiten Weltkrieg vertriebenen Sudetendeutschen gesetzt habe. Er forderte auch eine zumindest teilweise Entschädigung.

Polen wegen pro-Irak Haltung kritisiert

Hans Kronberger (F) ließ gegenüber der APA offen, wie er abstimmen wolle. Er könnte sich möglicherweise wegen "eklatanter Nichterledigung" von Fragen wie dem Transit und den Benes-Dekreten sowie der Beteiligung Polens am "völkerrechtswidrigen Irak-Krieg" der Stimme enthalten. Aus Sicht Kronbergers wäre eine Verschiebung der Abstimmung auf die zweite Jahreshälfte unter italienischem EU- Ratsvorsitz kein Beinbruch. Zumindest im Streit um den Alpentransit könnte sich damit eine neue Chance für Österreich bieten.

"Unrechtsbestand verrechtlichen"

Dagegen wollen FPÖ-Delegationsleiterin Daniela Raschhofer und die beiden mittlerweile wegen des "Knittelfelder Putschs" aus der FPÖ-Delegation ausgetretenen Abgeordneten Peter Sichrovsky und Gerhard Hager allen Beitrittskandidaten zustimmen. Raschhofer begründete dies gegenüber der APA einerseits mit dem Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ und dem Ministerratsbeschluss vom Dienstag, die Erweiterung zu unterstützen. Zum anderen meinte sie an die Adresse Prags, am meisten im Streit um die Benes-Dekrete sei zu erreichen, wenn der "Unrechtsbestand verrechtlicht" werde. Dies werde am besten erreicht, wenn man die Tschechen ins Boot hinein nehme. Für die Tschechen wäre es schwierig, die "ausgestreckte Hand" zurückzuweisen.(APA)