Kinderbetreuungseinrichtungen in Finnland gibt es bereits seit Ende des 19. Jahrhundert und seit 1927 werden diese von öffentlicher Hand unterstützt. Die überaus frühe realpolitische Behandlung dieses Themas scheint fruchtbarer Boden für eine schnelle und nachhaltige Entwicklung gewesen zu sein.

Bereits 1936 verabschiedete das finnische Parlament den "Child Welfare Act", der die Kommunen für die Kinderbetreuung verantwortlich machte. Es oblag sowohl ihrer Obsorge, dass genügend öffentliche Plätze zur Verfügung standen, als auch die Grundlagen zu schaffen, dass sich private Institutionen dieser Aufgabe annehmen konnten.

Große Veränderungen im Finnland der 60er und 70er

In dieser relativ kurzen Zeitspanne erlebte das bis dato überwiegend agrarische und finanziell schwache Finnland einen gewaltigen Veränderungsschub und entwickelte sich zu einem modernen Industrie- und Dienstleistungsstaat. Das Entstehen großer Industrieanlagen und die damit verbundene Landflucht veränderte das soziale und kulturelle Gefüge des gesamten Landes.

Besonders augenscheinlich kann man die Veränderungen mit dem Konzept des "Gender-Vertrags" der finnischen Forscherin Rantailaiho erklären. Dieses bezieht sich auf die unausgesprochenen Regeln zwischen Mann und Frau, wie Arbeitsteilung, unterschiedliche Verantwortlichkeiten etc.

In den 60ern und 70ern soll sich nun der erste Gender-Vertrag der Bäuerinnen, der in keinster Weise so etwas wie Kinderbetreuung oder Hausfrauentum beinhaltete, zum Lohnarbeits-Vertag weiterentwickelt haben. Während und vor allem nach dem 2. Weltkrieg waren viele Frauen in die Erwerbstätigkeit eingestiegen und dieser Status entwickelte sich immer mehr zum Normalzustand.

Gleichheitsbewegung als Triebfeder

Die in den 60ern aufkommende Gleichheitsbewegung in Finnland nahm sich sehr intensiv dem Thema Kinderbetreuung an, welche auch für die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt von großer Bedeutung war/ist. Der Bedarf an Betreuungsplätzen war enorm und konnte in den ersten Jahren nur schwer gedeckt werden. Die zentrale Rolle des Staates in der Bereitstellung und Erhaltung herrschte für die größten Teile der Gleichheits-Bewegung Konsens.

In den 70ern entstand rund um die grundsätzlichen Konzepte der Heimobsorge und der Betreuung außerhalb der Familie eine sehr emotionale Diskussion. Die Mitte- bis Rechtsparteien favorisierten die direkte Bezahlung der Mütter, die ihre Kinder selbst betreuten, anders als die SozialdemokratInnen, die sich mit ihrem Gesetzesentwurf letztendlich durchsetzten.

Fixe Betreuungsplätze per Erlass

Die Entwicklungen der nachfolgenden Jahrzehnte veränderten ihre Richtung nur marginal. Zuerst wurde per Gesetz für jedes Kind bis zum Alter von 3 Jahren, dessen Eltern die Notwendigkeit eines solchen reklamierten, ein Betreuungsplatz garantiert. Dies wiederum wurde auf alle Vorschulkinder ausgeweitet.

Dadurch, dass die Notwendigkeit eines Betreuungsplatzes von den Eltern definiert werden kann, haben auch Kinder von Arbeitssuchenden und nicht Angestellten ein Anrecht auf Betreuung. Daran stießen sich immer mehr Diskussionen im Laufe der neoliberalen Wende, von der bekanntlich ganz Europa erfasst wurde. Wenn Kindergärten-Kosten schon subventioniert würden, dürften jene, die nicht in den Pool der Steuern einzahlen, auch nicht davon profitieren.

Dieser Einwand ist gerade in dem Diskurs, der sich vermeintlich um das Wohlergehen der Kinder dreht und immer wieder mit emotionalen Bildern wie den "Schlüsselkindern" spielt, überaus absurd. Gerade Kinder von Arbeitssuchenden brauchen gleichen Zugang zu sozialen Netzwerken und Gleichaltrigen.

Private und öffentliche Einrichtungen

Durchgesetzt hat sich ein Mittelweg zwischen Betreuung in privaten und öffentlichen Räumlichkeiten. Seit 2001 sind die Kommunen nun auch dafür verantwortlich, dass es für alle Kinder unter 6 Jahren einen Vorschulplatz gibt.

(e_mu)