Bei der Voestalpine AG soll künftig niemand mehr "zu alt" für einen Job sein - "Alt" und "Jung" sollen vielmehr im Zuge des "LIFE-Programmes" voneinander lernen

Foto: Voestalpine

"Die wahre Herausforderung liegt für uns mittelfristig weniger in der Technik oder auf den Märkten, sondern im Bereich der Mitarbeiter", betont Franz Struzl, Vorstandsvorsitzender der Voestalpine AG, die in mehreren Ländern Europas und den USA vertreten ist. Nach einer Personalstrategie-Planung ist das Unternehmen zum Schluss gekommen, dass sich die Beschäftigungsquote der über 50-Jährigen im Jahr 2006 vervielfachen wird und "daher die ,Nachkommen' nicht gesichert waren", erklärt Susanne Oberleitner-Fulmek, Geschäftsführerin und Prozessberaterin des Instituts für betriebliche Gesundheitsförderung (IBG).

Aus diesem Grund startete die Voestalpine gemeinsam mit dem IBG im Mai 2002 ein Programm namens "LIFE", dessen Ziel es ist, den 20.000 Mitarbeiter starken Industriekonzern in ein "Drei-Generationen-Unternehmen" (junge, mittlere und ältere Mitarbeiter) zu transformieren. Acht Expertenteams (bestehend aus Mitarbeitern, Führungskräften und Betriebsräten) entwickelten folgende Maßnahmen, die seit Jahresbeginn 2003 umgesetzt werden:

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"Formel 33" - heißt die Initiative, die die Weiterbildung für alle Mitarbeiter vorsieht: Es sollen jährlich mindestens zwei Prozent der Arbeitszeit für Aus- und Weiterbildung genutzt werden - dies gilt sowohl für Arbeiter als auch für Angestellte. Das individuelle Entwicklungsprogramm erstellen Mitarbeiter gemeinsam mit ihren Führungskräften.

Neben Seminaren stehen auch andere Lernoptionen offen: "Beispielsweise haben Mitarbeiter die Chance, ein Projekt aus ihrem Aufgabenbereich zu leiten, an E-Learning-Kursen teilzunehmen oder ,Schnupperwochen' in anderen Fachabteilungen zu absolvieren", gibt Oberleitner-Fulmek Einblick. Gelernt werden soll "On-the-Job", "Near-the-Job" und "Off-the-Job".

Ältere Arbeitnehmer

Die Altersgrenzen wurden sowohl in der internen Karriereplanung als auch für Bewerber bei externen Stellenausschreibungen aufgehoben. Das Ziel: Im Konzern soll niemand mehr "zu alt" für einen Job sein, sofern die Qualifikation mit den jeweiligen Anforderungen übereinstimmt. Um die Verweildauer älterer Arbeitnehmer im Unternehmen positiv zu beeinflussen, wurde auch eine Verringerung der Nachtschichtarbeit angepeilt: In Linz startete ein Pilotprojekt, das gemeinsam mit 100 betroffenen Schichtarbeitern konzipiert wurde. Fazit: Tätigkeiten, die nicht zwingend in der Nacht erledigt werden müssen, werden auf den Tag verlegt.

Jüngere Mitarbeiter

Die Voestalpine betreibt in Linz, Donawitz und Krems Lehrwerkstätten und bildet auch Lehrlinge für andere Unternehmen in rund 20 Berufen aus. Im laufenden Lehrjahr werden um 60 Prozent mehr Lehrlinge als im Vorjahr ausgebildet. Derzeit werden 750 Jugendliche in den Voestalpine-Lehrwerkstätten ausgebildet, 170 der Lehrlinge sind "Gäste" aus fremden Unternehmen.

Mehr Frauen

Der Anteil der Mitarbeiterinnen unter den Arbeitern ist noch gering. Im Rahmen der aktuellen, auf Diversity abzielenden Human-Resources-Strategie und weil - dank zunehmender Automatisierung - die körperliche Belastung sinkt, sollen künftig mehr weibliche Mitarbeiter in traditionelle Männerdomänen, wie etwa in Leit- oder Steuerstände, vordringen.

Studenten

Akademischen Führungskräftenachwuchs fördert das Unternehmen an der Johannes-Kepler-Universität Linz und an der Montanuniversität Leoben mit dem "Voestalpine Wirtschaftspreis", der für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten vergeben wird. Studenten der Montanuniversität Leoben können sich auch um das vom Konzern mit 3000 €jährlich dotierte "Success Stipendium" bewerben.

Weitere 50 Absolventen technischer und unternehmensrelevanter Studien unterstützt der Konzern durch Übernahme der Studiengebühren. Zusätzlich haben jedes Jahr 300 Studenten die Chance auf eine Ferialpraxis.

Zielvereinbarung

Teil der Zielvereinbarung für Führungskräfte ist neben der Erarbeitung von Personalanalysen ebenso die Umsetzung der "Formel 33" - die erfolgreiche Realisierung beeinflusst maßgeblich den variablen Gehaltsbestandteil der Manager. "LIFE" ist für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren geplant und wird zunächst an den heimischen Standorten realisiert; längerfristig soll es auch in den ausländischen Unternehmen umgesetzt werden. Die ersten Erfolge: "Die Anschlussfähigkeit zwischen den Generationen hat sich enorm verbessert", sagt Rudolf Karazman, IBG-Geschäftsführer und Fachlicher Leiter von "LIFE". (Silvia Stefan, DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.4.2003)