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2008 war IPCC-Vorsitzender Rajendra Pachauri für die Wissenschaftszeitschrift "Nature" noch "Newsmaker of the Year". In den vergangenen Wochen sind er und sein Gremium vor allem negativ in die Schlagzeilen geraten.

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Wien/Genf - Unter immer heftigere Kritik kommt der Weltklimarat IPCC und damit auch sein Chef, der Inder Rajendra Pachauri. Jeder Fehler, der im zuletzt veröffentlichten Sachstandsbericht der IPCC bekannt wird, ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker des IPCC. Führende deutsche Klimaforscher wie Hans von Storch oder Helmut Graßl fordern, dass Pachauri zurücktritt.

So weit will Reinhard Böhm, Klimaforscher an der Wiener Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) nicht gehen. Es seien die zweiten Teile der Berichte, die extrem fehleranfällig sind. Darin werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse des ersten Teils umgerechnet auf die Auswirkungen auf die Erde. Ein extrem kompliziertes Verfahren, wie Böhm meint. "Mich hat immer gewundert, dass diese Bewertungen zeitgleich mit den wissenschaftlichen Ergebnissen veröffentlicht werden können."

Der augenfälligste Fehler war die Prognose, dass die Himalaya-Gletscher bis 2035 verschwunden sein könnten. Nun wurden auch falsche Aussagen bzw. Berechnungen zur Wasserverfügbarkeit und damit den Ernten in Afrika und zu Hollands Fläche und Überschwemmungsgefahr gefunden. In den IPCC-Klimaberichten dürften auch Studien von anderen Organisationen als dem IPCC eingeflossen sein, erklärt Böhm. Also Untersuchungen, die von Shell, Versicherungsgesellschaften oder dem WWF angestellt wurden. Damit allerdings wurde die Qualität des IPCC unterschritten.

Schon des längeren gibt es Kritik daran, dass der IPCC bei seiner Bericht-Erstellung wenig demokratisch vorgeht und etwa Wissenschafter mit abweichenden Meinungen zu einem Problem erst gar nicht in die Arbeit zu einem Sachstandsbericht aufnimmt.

So etwa kritisiert Klimaforscher von Storch im Gespräch mit dem Standard, dass der IPCC aufgrund dieses mangelhaften Managements und unzureichender Kommunikation in eine Glaubwürdigkeitskrise gerutscht sei - auch wenn er einen wesentlichen Service für die Klimapolitik leiste. Dafür war das IPCC zusammen mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore mit dem Friedensnobelpreis 2007 ausgezeichnet worden.

Forderungen nach Reform

In der internationalen Scientific Community jedenfalls mehren sich die Stimmen, die eine grundlegende Reform des IPCC fordern. In der heutigen Ausgabe der britischen Wissenschaftszeitschrift Nature (Bd. 463, S. 730) legen gleich fünf Forscher, die zugleich Koautoren der IPCC-Berichte sind, Vorschläge vor, in welche Richtung es gehen sollte.

"Der IPCC braucht eine Generalüberholung" , meint etwa der britische Klimatologe Mike Hulme. "Seine Struktur und seine Verfahren haben das Verfallsdatum überschritten." Er schlägt vor, den IPCC nach dem nächsten Bericht 2014 überhaupt in drei neue Einrichtungen aufzulösen, die sich um eine professionellere Einschätzung und Evaluierung des Klimawandels und seine Folgen kümmern könnten.

Für mehr Professionalisierung tritt auch der Küstenforscher Eduardo Zorita vom deutschen GKSS-Forschungszentrum Geesthacht bei Hamburg ein. Der IPCC sollte seiner Meinung nach zu einer unabhängigen Klimabehörde werden - vergleichbar mit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) oder der Internationalen Energieagentur (IEA). Mit anderen Worten: Der IPCC sollte rund 200 Experten anstellen, die völlig unabhängig von der Politik, der Wirtschaft und der akademischen Welt arbeiten könnten. Der US-Klimaforscher John Christy wiederum möchte mehr offene Debatten, die eher im Stil von Wikipedia daherkommen sollten.

Diskussionen gibt es entsprechend auch um Rajendra Pachauri. Zuletzt wurde Pachauri immer wieder auch für seine Rolle in der indischen Organisation Teri kritisiert, deren Generaldirektor er ist. Dieses Energieforschungsinstitut habe von den falschen Himalaya-Prognosen profitiert, so einer der Vorwürfe. Bisher hatte sich UN-Klima-Chef Yvo de Boer indes immer hinter Pachauri gestellt - und die mediale Kritik als eine Kampagne von Klima-Skeptikern bezeichnet. (Johanna Ruzicka, Klaus Taschwer, DER STANDARD/Printausgabe 11.2..2010)