Sex hilft gegen Kopfschmerzen, Sex schützt vor Osteoporose und stärkt sogar die Abwehrkräfte – wissenschaftliche Studien legen nahe, dass besonders viel Sex besonders gesund ist. Die Werbung lebt von nackter Haut und Viagra verspricht körperliche Freuden bis ins hohe Alter. Kann Sex nun tatsächlich bei der Wirkung auf den Körper mit Sport mithalten und wenn ja, sollte man es der Gesundheit halber möglichst jeden Tag tun? Wann meldet sich auch die Psyche? derStandard.at/Gesundheit hat das menschliche Thema genauer betrachtet.

Körperliches Training

"Sex wirkt wie ein Softtraining auf den Körper, das Herzkreislaufsystem wird angeregt, man atmet mehr", weiß Medizinerin und Sexualtherapeutin Elia Bragagna. Laut einer amerikanischen Studie kann regelmäßiger Sex auch Migräne lindern und das Krebsrisiko bei Männern senken, weil jede Ejakulation so etwas wie ein "kleines Service" für die Prostata ist. Ein australisches Forscherteam hat herausgefunden, dass Männer, die zwischen dem 20. und 50 Lebensjahr besonders häufig ejakulieren, später ein weniger hohes Risiko haben an Prostatakrebs zu erkranken. Laut einer Studie des britischen Gesundheitsdienstes ist Sex gesundheitlich sogar mehr wert als Sport: je mehr Orgasmen desto besser – allerdings müsste Sex laut den Forschern täglich stattfinden um allerlei positive körperliche Auswirkungen zu haben.

Hormone für das Hochgefühl

Sex bringt außerdem den Hormonhaushalt in Fahrt, Testosteron- und Östrogenspiegel steigen an. Ersteres macht Männer widerstandsfähiger und zweiteres Frauen schöner. Endorphine sorgen für das nötige Hochgefühl, das sonst oft erst nach langem Ausdauertraining zum Vorschein kommt. Das Wohlgefühl ist wiederum gut für die Psyche, ebenso die Entspannung nach dem Orgasmus. Sexualhormone machen also glücklich und lindern Schmerzen. Emotional lösen Körperkontakte in Form von sinnlichen Berührungen ein Bindungsgefühl aus.

Zuviel des Guten

Angesichts dieser Vorteile – soll man so oft wie nur möglich Sex haben? Sexualmedizinerin Bragagna ist diese Frage schon leid: "Sex ist immer dann gut, wenn die Dosis stimmt." Zwei mal guter Sex sei mehr wert als fünfmal unbefriedigender. Sie sieht gerade die "Übersexualisierung der Gesellschaft" als Belastung für viele Menschen. Und letztendlich könne die Mischung aus An- und Entspannung beim Sex auch Kopfschmerzen verursachen. Wundermittel ist Sex also keines, vor allem nicht, "wenn der Körper Nein sagt".

"Ich kenne viel mehr Menschen, die dadurch krank werden, dass Sex ständig zum Thema gemacht wird", erzählt die Medizinerin aus Erfahrung. Für sie ist es "schockierend", dass jede dritte junge Frau unter Lustlosigkeit und viele junge Männer unter Erektionsstörungen leiden. "Gerade junge Bildhübsche kommen mit Sexualstörungen zu mir in die Praxis", so Bragagna. Von ihnen werde erwartet, dass sie besonders oft und mit besonders vielen Mädchen Sex haben und mit diesem Druck kämen viele nicht zurecht. Die Pharmaindustrie profitiere natürlich davon, dass sexuelles Funktionieren allgegenwärtig ist. "Insofern ist es für mich problematisch wenn ich den Spruch höre 'Wenn du gesund sein willst, hab Sex'", meint die Medizinerin.

Positiver Sex

Doch wann ist denn Sex gut? "Sexualität eignet man sich ein Leben lang an, das ist ein Lernprozess auf psychischer und körperlicher Ebene", erklärt Sexualpädagoge und Gesundheitspsychologe Wolfgang Kostenwein vom Österreichischen Institut für Sexualpädagogik. Wichtig für guten Sex sei Selbstsicherheit und ein positiver Zugang zum eigenen Körper, denn der "Körper ist schließlich das Instrument, auf dem wir spielen". Problematisch sieht der Sexualpädagoge nach wie vor die Aufklärung in der Schule: "Weil das Thema mit Emotionen zu tun hat, lassen es viele Lehrer auf der biologischen Ebene bewenden, doch das erreicht die Jugendlichen nicht, denn sie können das Gehörte nicht in ihre Erlebniswelt einbetten." Besprochen werde zwar wie man ein Kondom anwendet, aber nicht wann und genau das sei eine heikle Frage, denn viele junge Burschen wollen in intimen Situationen auch nicht zu aufdringlich sein.

Muss Sex Spaß machen? "Der Funfaktor alleine ist zuwenig", so Kostenwein, "aber ein lustvoller Zugang ist wichtig." Für ihn ist Sex mehr als Spaß. "Der Zeitgeist beschäftigt sich heute mehr mit der oberflächlichen Sexualität von Pornos." Bedeutet Spaß aber Sex selbstbestimmt auszuleben und sich selbst wahrzunehmen, sei das sehr wohl positiv.

Fazit: Genauer betrachtet gibt es für die Beantwortung der Fragen wieviel? wo? wann? und wie? natürlich kein allgemein gültiges Patentrezept. Gesund ist, was gut ist und wenn nebenbei noch ein paar Kalorien verbrannt, Abwehrzellen gebildet werden und Hormone für Entspannung sorgen – umso besser. (derStandard.at, 11.2.2010)