Vor lauter „Mobilsein-Wollen“ vergessen wir allzu leicht, dass Mobilität und Effizienz mitunter auf Kriegsfuß stehen.

***

“Was man nicht im Kopf hat, muss man in den Beinen haben.” Sie kennen dieses Sprichwort? Höchstwahrscheinlich auch aus leidvoller Erfahrung. Denn vor lauter „Mobilsein-Wollen“ vergessen wir allzu leicht, dass Mobilität und Effizienz mitunter auf Kriegsfuß stehen. Die eine zählt die Schritte, die andere nur die, die man nicht doppelt oder nutzlos macht.

Wer die Qualität des nächsten Schritts im Auge hat, weiß auch, dass Mobilität im Kleinen beginnt. Denn oft ist es nicht die aufwendig geplante Geschäftsreise, die Kopfzerbrechen bereitet, sondern die unscheinbare Episode im Geschäftsalltag, die einem den Nerv zieht. Wer von Termin zu Termin hetzt, ist auf eine Infrastruktur angewiesen, die ihm folgen kann und ihn nicht allein lässt – irgendwo am Flughafen, im Korridor zwischen zwei Besprechungen oder im Stau auf der Autobahn, gestrandet im Offline wie ein Schiffbrüchiger auf einer Insel, während er tatenlos zusehen muss, wie wichtige Kontakte, Daten und Ressourcen an ihm vorbeifließen.
 
Wir können heute beinahe überall arbeiten, weil wir uns von überall in den Kommunikationsstrom einklinken können. Wir haben uns abgenabelt von den störenden Netzwerkkabeln und sind drahtlos eingebunden und verbunden. Das Internet hat laufen gelernt, ist mobil geworden und das ist zweifellos die große Revolution unserer Tage. Ohne sie wäre der ganze Social Media Hype nicht denkbar. Denn was wären TWITTER oder FACEBOOK ohne das mobile Internet?

Die neue Mobilität mit ihren Möglichkeiten betrifft uns alle. Sie verlangt neue Kommunikationsstrukturen aber auch neue Organisationsformen in Unternehmen – zweifellos. Mitarbeiter, die zuhause, im Kaffehaus, unterwegs, am Wochenende und dazwischen auch mal im Büro arbeiten, sind heute in vielen Bereichen nicht mehr die Ausnahme sondern die Regel. Das verlangt ein gehöriges Maß an Beweglichkeit – vom Unternehmen genauso wie vom Einzelnen – und Eigenverantwortung. Auch wenn es darum geht, sein eigenes Tempo zu finden und vielleicht auch einmal stehen zu bleiben, für einen Moment „nicht auf dem Laufenden zu sein“, die Verbindung abzubrechen.

„Bewegung“ heißt unser Modus des Online-Seins. Wir hetzen von einem Link zum anderen und vergessen, dass es neben dem Scan-Modus, in dem wir alles überfliegen, auch noch einen Lektüre-Modus gibt, in dem wir uns zurücklehnen und irgendwo hängen bleiben; dass Beweglichkeit im Kopf beginnt und wir nicht unbedingt und für jeden ersichtlich zappeln müssen, um produktiv zu sein.

Wenn „Always On“ keine Möglichkeit mehr ist, sondern eine Direktive, dann wird Geschäftigkeit schnell zur trügerischen Gestalt unserer Produktivität. Neben mir am Flughafen wartet ein Geschäftsmann auf seine Frau und füllt die Wartezeit mit TETRIS und TWITTER. Er füllt sie tragischer Weise bis zur letzten Sekunde. Weil er vergessen hat, was die Qualität des Wartens sein könnte.

Ob er sich je wieder erinnern wird? Das letzte Wort ist nicht gesprochen. Denn wir haben gelernt, dass unsere Aneignung von neuen Technologien im Normalfall drei Phasen durchläuft: In einer ersten lehnen wir sie ab, in einer zweiten gebrauchen wir sie, weil es cool ist oder schick (Watch this Video!), und in einer dritten nutzen wir sie, weil es Sinn macht.

Vor diesem Hintergrund wiederhole ich meine Frage: Was wären TWITTER oder FACEBOOK ohne das mobile Internet? Sie wären weniger, zweifellos, sie wären aber auch mehr. Und wir? Wir wären vielleicht mobiler, weil wir nicht jede Aktivität mit einem TWEET kommentieren müssten. Wir wären weniger „meta“ und wieder mehr „präsent“. Doch zunächst müssen wir durch den Unsinn hindurch. Es gibt keine Abkürzungen.