London - Derzeit arbeiten europäische Forscher an einem Material, von dem sie sich für die Zukunft der Automobiltechnik völlig neue Perspektiven erhoffen. Der Werkstoff soll - wie eine Batterie - einerseit Strom speichern, zum anderen aber stabil und leichtgewichtig sein. "Wir sind vom Potenzial dieser Technologie begeistert. Wir glauben, dass das Auto der Zukunft dank unserem Kompositmaterial Strom aus seinem Dach, seiner Motorhaube oder sogar aus der Tür beziehen kann", sagt Emile Greenhalgh vom Department of Aeronautics des Imperial College London (ICL).

Überflüssige Akkus?

Greenhalgh koordiniert ein Dreijahres-Projekt, das nicht nur die Speicherkapazität des aus Karbonfasern und einem Polymerharz bestehenden Materials verbessert soll. "Wir erwarten, dass es in einem Fahrzeugprototypen vo Volvo genutzt wird", meint Greenhalgh. Dort soll eine Strom speichernde Reserveradmulde zum Einsatz kommen. Langfristig orten die ICL-Forscher das Potenzial, Akkus nicht nur bei Autos, sondern bei diversen Elektronik-Gadgets überflüssig zu machen.

Was mögliche Anwendungen des Materials betrifft, sehen die Forscher kaum Grenzen. So seien Navigationssysteme denkbar, deren Gehäuse die erforderliche Energie speichert. "Man könnte ein Handy haben, das so dünn ist wie eine Kreditkarte, weil es keine voluminöse Batterie mehr braucht", meint Greenhalgh. Auch Laptops, die dank ihrem Gehäuse länger laufen, wären denkbar. Allerdings stehe das Projekt noch am Anfang und der Weg zu solchen Anwendungen sei noch weit.

Karosserieteile als Stromspeicher soll dabei einen Meilenstein bilden. Wenn die geplante Reserveradmulde von Projektpartner Volvo in ein Fahrzeug verbaut werden kann, würde das die erforderliche Menge an Akkus für den Elektromotor deutlich senken. Den Forschern zufolge könnte dadurch das Gesamtgewicht des Fahrzeugs um 15 Prozent sinken. Das wiederum würde für den Elektrobetrieb die Reichweite zukünftiger Fahrzeuge deutlich steigern.

Kürzer geladen, länger gespeichert, schneller abgegeben

Im Gegensatz zu herkömmlichen Batterien kommt es beim Karbonfaser-Polymerharz-Material nicht zu einer chemischen Reaktion. Dadurch kann es den Forschern zufolge nicht nur schneller aufgeladen werden. Die mit der Zeit auftretenden Kapazitätsverluste, wie sie von den gängigen Lithium-Ionen-Akkus bekannt sind, werden dadurch ebenfalls vermieden. Weiters werde das Material große Strommengen auch schneller abgeben als aktuelle Akkus.

Im Rahmen des 3,9-Millionen-Euro-Projekts wollen die Forscher zunächst die mechanischen Eigenschaften des Materials verbessern, indem sie Kohlenstoff-Nanoröhren auf den Karbonfasern ziehen. Damit sollte auch die Kapazität steigen. "Wir erwarten, dass letztendlich ein Hybridmaterial entstehen wird, mit dem Speichermaterial im Inneren und konventionellen Materialien und Beschichtungen außen", so ferner Greehalgh. Gepaart mit geringen Spannungen von unter zehn Volt soll das eine gefahrlose Nutzung erlauben. Nach Greenhalghs Schätzung wird es nach Ende des aktuellen Projekts noch drei bis fünf Jahre dauern, ehe die Technologie marktreif ist. (red/pte)