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Flankiert von seinen 26 Kommissaren warb Präsident Barroso um Vertrauen (links: EU-Außenministerin Catherine Ashton).

Foto: Reuters/Vincent Kessler

Präsident Barroso versprach "radikalen Wandel", ein starkes Europa.

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So lange wie "Barroso II" hat noch keine EU-Kommission gebraucht, um ins Amt zu kommen. Sieben Monate sind seit der Wieder-Nominierung des Konservativen José Manuel Barroso zum Präsidenten durch die Staats- und Regierungschefs vergangen. Das war Mitte Juni, gleich nach den EU-Wahlen.

Damals wurden die Machtverhältnisse in Europa stark verschoben - mit einem Triumph der Christdemokraten, einer schweren Schlappe der Sozialdemokraten, einer Stärkung von Grünen und Liberalen quer durch den Kontinent. Aber das hatte die Kommissionskür nur komplizierter gemacht, noch dazu, weil unklar war, ob und wann die Reformen des neuen EU-Vertrages von Lissabon zum Tragen kommen würden oder nicht.

Bis zur definitiven Bestätigung des gesamten Kommissions-Teams - 26 Kommissare neben Barroso - durch das Plenum des Europäischen Parlaments am Dienstag verging ein mühsamer, für manche quälender Prozess. Insbesondere gilt das für die Regierungen, den traditionell mächtigen EU-Ministerrat.

Im Normalfall dauert eine "Regierungsbildung" in der Union halb so lang. Der Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt, brachte es in der Debatte vor der Abstimmung denn auch auf den Punkt, was die meisten EU-Abgeordneten am Ende dieses Prozesses gedacht haben mögen: Es ist genug jetzt. "Nie wieder darf sich das wiederholen, dass man so lange eine Kommission ohne Befugnisse hat" , sagte er, dass Europa führungslos sei, noch dazu in Zeiten der Wirtschaftskrise.

Müde vom Dauerstreit

In der ersten Reihe lächelte Barroso dazu zufrieden. Er konnte schon in der Früh spüren, dass für ihn alles gut ausgehen würde. In den Reihen der Abgeordneten waren von den Kämpfen der vergangenen Monate bereits Ermüdungserscheinungen bemerkbar, selbst bei SP-Fraktionschef Martin Schulz, der sich freute, dass seine Partei mit Catherine Ashton die Außenministerin stellte, die wegen schwacher Qualifikation umstritten war. Das alles mag mit ein Grund sein, warum die Bestätigung der Kommission bei der Abstimmung so klar ausfiel wie nur einmal zuvor: 488 Abgeordnete stimmten mit Ja, nur 137 mit Nein, 72 enthielten sich. Auch Barroso war bei seinem ersten Antreten im Jahr 2004 drunter geblieben: Da bekam er 449 Ja-, 149 Nein-Stimmen.

Auf die Fraktionen umgelegt dürften Christ- und Sozialdemokraten mit den Liberalen praktisch geschlossen für das Barroso-Team votiert haben. Nur die Grünen und die Linke hielten offen dagegen.

In gewohnter verbaler Schärfe bohrte der grüne Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit dementsprechend in den Wunden jener Abgeordneten und Fraktionen, die in den vergangenen Monaten immer wieder mit der Verweigerung der Zustimmung zur Kommission gedroht hatten: "Wir sitzen hier in einer Koalition der Heuchler" , rief Cohn-Bendit. Man sage insbesondere seitens der Sozialdemokraten "Wir lieben dich nicht, aber wir wählen dich trotzdem" . Europa spiele seine Rolle in der Welt nicht, und Schuld daran sei nicht zuletzt Barroso selber, der die vergangenen Jahre an der Spitze der Kommission gewesen sei.

Der angesprochene Kommissionspräsident ging auf Kritik kaum ein, sondern appellierte an die Abgeordneten, die Union nicht ständig schlechtzureden. In Wahrheit sei die Union in der Welt ein "Leuchtturm der Demokratie" .

Barroso interpretierte das Ergebnis in seiner Dankesrede als "ein Mandat für mehr Mut" , das er gemeinsam, in engster Kooperation mit dem Parlament (siehe weiteren Bericht) für ein in der Welt geeinigt auftretendes Europa nützen wolle. Nötig sei ein "radikaler Wandel" der Politik, weil man mit nationalen Lösungen nicht mehr weiterkomme.

Dafür bekam er ausdrücklich die Unterstützung der stärksten Fraktionen von VP, SP und Liberalen, zwischen denen in den kommenden fünf Jahren zumeist über Mehrheiten entscheiden werden wird. Ein Freibrief sei das aber nicht, betonte Verhofstadt, "wir wollen Ergebnisse". (Thomas Meyer aus Strßburg, DER STANDARD, Printausgabe 10.2.2010)