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Böser Köter an kurzer Leine? Nicht die Rasse ist das entscheidende Kriterium, ob ein Hund zubeißt oder nicht.

Foto: Reuters/Wiegmann

Medial und politisch stellt sich wieder die Frage nach einer sogenannten Rasseliste bzw. eines für "Kampfhunde"-Halter/-innen verpflichtenden Hundeführscheins. Der Wunsch der Öffentlichkeit nach Sicherheit ist mehr als verständlich, doch es ist zu bezweifeln, ob diese sachlich und wissenschaftlich wenig begründete Anlassgesetzgebung zielführend ist.

Der Begriff "Kampfhund" stellt keine objektive Definition der Tatsachen dar, sondern ist ein subjektiv durch Menschen geprägter Begriff. Welche Rassen oder Individuen diesem Begriff zuzuordnen sind, unterliegt dem Urteil der Gesetzgebung. Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse sagt nichts über die potenzielle Gefährlichkeit aus, da das Konzept der Rasse in der Hundezucht ein dynamisches ist und nicht etwa ein statisches, wie es für einen Laien wirken mag. Allen Individuen einer Rasse dieselben Verhaltensmerkmale zuzuordnen mag zwar der Wunsch vieler (v. a. der Züchter/ -innen) sein, ist aber nicht Realität. Wie viele wissenschaftliche Studien gezeigt haben, sind Verhaltensmerkmale nur zu einem äußerst geringen Prozentsatz vererbbar, in Wahrheit spielen der richtige Umgang des/der Besitzer/ -in mit dem Hund und das Wissen um hundliches Verhalten eine weitaus gewichtigere Rolle.

Jeder Hund ist potenziell in der Lage zu beißen, schließlich verfügt er über ein Beutegreifergebiss. Eine vermeintlich größere Beißkraft als Grund für Hunde-Rassismus heranzuziehen ignoriert viele andere Tatsachen.

Wo beginnt die Gefahr?

Aber welche Faktoren machen einen Hund nun zu einer "Gefahr"?

  • Hunde müssen sich in eine komplexe Welt einfügen, für die sie nicht von vorneherein geschaffen sind (Autoverkehr, Menschenansammlungen, Lärm etc.). Damit Hunde sich - aus menschlicher Sicht - adäquat verhalten können, lernen sie idealerweise bereits innerhalb ihrer ersten zwölf Lebenswochen die Umwelt kennen, in der sie sich als erwachsene Individuen zurechtfinden müssen. Je schlechter die Sozialisierung und Umweltgewöhnung erfolgt, desto mehr Verantwortung hat der/die Besitzer/-in. Hunde, die in Massenvermehrungen aufwachsen, haben keine Gelegenheit, in dieser wichtigen Zeit ihre Umwelt zu erkunden und kennenzulernen. Zukünftige Besitzer/-innen, die sich ungenügend bis gar nicht über Hundeverhalten informieren und dementsprechend falsch mit dem Hund umgehen, stellen ein großes Problem dar - auch aus Tierschutzgründen.
  • Besitzer/-innen, die mithilfe des Hundes ihren Status hervorheben möchten. Hier wird eine "gefährliche" Rasse besonders interessant, vielfach werden bewusst aggressionsfördernde Maßnahmen getroffen.
  • Veraltete Ausbildungsmethoden, die auf psychischer und physischer Unterwerfung des Hundes beruhen, oder gar "Schutzhundeausbildung" stellen ein besonderes Problem dar. Derart auf aversive Methoden aufgebaute Angebote sind noch immer die Mehrheit, es erscheint offensichtlich, dass ein Hund, der psychisch oder physisch bedroht wird, zwar möglicherweise vorübergehend das gewünschte Verhalten zeigt, aber das zugrundeliegende Problem wird damit nicht entfernt. Im Gegenteil, durch die zusätzliche Androhung des/der Besitzers/-in wird die Situation verschärft, eine typische Gewaltspirale.
  • Die Regelungen der Hundezucht gehen vielfach in eine falsche Richtung. Nicht nur werden physisch kranke Hunde als Rassestandard definiert, auch der verantwortungsvolle Umgang mit Lebewesen wird immer häufiger vernachlässigt.

Maßnahmen zur Sicherheit

Maßnahmen, die den Wunsch nach größtmöglicher öffentlicher Sicherheit erfüllen, wären folgende:

  • Ein verpflichtender Sachkundenachweis vor der Anschaffung eines Hundes (jedes Tieres), nach wissenschaftlichen Kriterien, nicht nach dem "Rangordnungsprinzip". Der Hundeführschein ist nur unzureichend, aber besser als gar nichts, solange hier nicht rassistisch vorgegangen wird. Entscheidend ist, wie im nächsten Punkt, wer und wie den Hundeführschein abnimmt.
  • Eine Richtlinie zur Hundetrai-ner/-innen-Ausbildung, die Methoden der positiven Verstärkung beinhaltet und veraltete Methoden nach dem Prinzip der "Dominanz" verbietet.
  • Verbot der Schutzhundeausbildung.
  • Strenge Regelungen betreffend der Hundezucht. Verbot von Qualzuchten.
  • Verbot von Vermehrung.
  • Verbot des Verkaufs von Hunden (Tieren) über "Tierbörsen".
  • Aufklärung der Öffentlichkeit (Schulen: wichtig vor allem für Kinder) über einen adäquaten Umgang mit Hunden (Tieren). Hunde fühlen sich gerade durch kindliche Handlungen häufig bedroht, verunsichert oder gereizt.
  • Verbindliches Training bei offiziell anerkannten Trainer/-innen.

Unterm Strich sollte der/die Hundebesitzer/-in in der Lage sein, den eigenen Hund einschätzen zu können, um Situationen, in denen der Hund sich bedroht fühlt, zu vermeiden. Per Gesetz den Leinen- und Maulkorbzwang zu verschärfen erscheint zwar auf den ersten Blick logisch, aber das Problem wird dadurch in Wirklichkeit verstärkt.

Gerade durch zu wenig Bewegung und durch den Vorenthalt von Sozialkontakten und hundegerechter Beschäftigung werden Hunde gefährlich. Ein Hund, der sich ausschließlich an der Leine bewegen darf, kann sein Bewegungsbedürfnis niemals stillen. Mittels eines Maulkorbs wird zusätzlich noch die Kommunikation empfindlich eingeschränkt. Schließlich stellt die Mimik in der hundlichen Kommunikation einen wichtigen Faktor dar, ein Gegenüber einschätzen zu können. Außerdem empfinden viele Hunde den Maulkorb als Strafe, wodurch sich negative Gefühle aufstauen können, der Hund generell "gereizter" wird.

Abschließend kann festgehalten werden, dass ein Hund äußerst selten pathologisch aggressiv ist. Nahezu immer stellt nämlich das andere Ende der Leine - der/die Besitzer/-in - das ursächliche Problem dar. (Ursula Aigner/DER STANDARD-Printausgabe, 9.2.2010)