Ist da jemand? In Vorwahlzeiten herrscht im Teich der Künstler-Promi-Testimonials eifriges Wettfischen, die bevorstehende Bundespräsidentenwahl wird diesbezüglich ebenso wenig eine Ausnahme sein wie die Wahlen in Wien oder der Steiermark. Bitte schenken Sie mir Ihre Empfehlung. Danke vielmals. Und in ein paar Jahren hören Sie wieder von uns. Aber wo, bitteschön, geht es dieser Tage in der Koalition zur Kulturpolitik? Schon eine vage Richtungsangabe wäre echt hilfreich, offene Baustellen gäbe es zuhauf.

Unlängst schwärmte Ex-Burgchef Claus Peymann im STANDARD-Interview über das große Glück, das er seinerzeit mit dem damaligen Kulturminister Rudolf Scholten gehabt hätte: "Er war das intelligente und liebenswerte Groupie unserer Zeit." Das kann man von Scholtens Nach-Nachfolgern definitiv nicht mehr behaupten: nämlich, dass da jemand in der kulturpolitischen Schaltzentrale säße, der radikal für Kunst und Kunstschaffende Partei ergriffe.

Schon Ex-SP-Bundeskanzler Viktor "Kultur ist Chefsache" Klima bevorzugte abendterminlich Faschingssitzungen und marginalisierte die Kultur zur politischen Nebensächlichkeit. Auch die aktuelle Ressort-Chefin Claudia Schmied fällt bei Kulturveranstaltungen nicht weiters auf. Weil sie schwänzt. Lieber schiebt sie Eisstöcke in Perchtoldsdorf, als sich im Burgtheater blicken zu lassen. Sicher, man kann sich noch an ein paar spektakuläre, allerdings auch schon länger zurückliegende Personalentscheidungen erinnern: für die Staatsoper Dominique Meyer und Franz Welser-Möst statt des Gusenbauer-Favoriten Neil Shicoff; Sabine Haag anstelle internationaler Bewerber für das Kunsthistorische Museum. Eh in Ordnung. Und sonst? Stille.

Claudia Schmied hat Schweigen ganz offensichtlich zur höchsten ministeriellen Tugend verfeinert. Von der Szene werden in tratschando die Favoriten für die Nachfolge von Mumok-Direktor Edelbert Köb bereits Länge mal Breite durchdekliniert, doch aus dem Ministerium kommt kein Mucks. Wobei: Kandidaten mit internationalem Renommee haben sich nach der KHM-Erfahrung praktischerweise nicht mehr beworben. Fast möchte man auch glauben, die beiden Festspiele finden sonst wo in der Welt, nur nicht in Salzburg statt, so ausdauernd hält die Ministerin zum Finanzskandal still. Dabei wäre es doch für die Hauptsponsoren, nämlich die Steuerzahler, durchaus interessant zu wissen, wie der Bund die Sache sieht.

Manchmal bricht die Ministerin ihr Schweigen. Redenschreiber produzieren viel heiße Luft, und so kommen viele, viele nette, banale Wortblasen aus ihrem Mund. Zum Beispiel: Kultur nicht mehr für alle, sondern mit allen, sagt sie.Und dass es ihr erklärtes Ziel sei, mehr Menschen an Kunst und Kultur teilhaben zu lassen. Fein. Wäre also richtig super, wenn Frau Schmied selbst teilhaben würde an den Kulturveranstaltungen, für die zuständig zu sein sie doch so sehr schätze, wie sie beteuert; wenngleich es kaum einen Bereich gäbe, in dem so viel über Geld geredet würde. Nachdenkhilfe: Weil die überwiegende Mehrheit der Kunstschaffenden am oder unter dem Existenzminimum lebt?

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, sagte einmal sinngemäß ein österreichischer Spitzen-Sozi. So gesehen braucht die amtierende Kulturministerin leider ganz gewiss keinen ärztlichen Beistand. (Andrea Schurian, DER STANDARD/Printausgabe, 09.02.2010)