Wien - Der Fall Mensdorff-Pouilly schlägt weiter hohe Wellen. Am Montag zitierte die britische Zeitung Guardian aus Ermittlungsprotokollen, laut denen der österreichische Waffenlobbyist, der sich seit Sonntagabend wieder in Österreich befindet, im Zentrum eines "ausgeklügelten" Bestechungsnetzwerkes stand. Ab 2002 seien "korrupte Praktiken" eingesetzt worden, um an lukrative Verträge für Kampfjets in Mitteleuropa zu kommen. Mehr als zehn Millionen Pfund seien für das Schmieren von Amtsträgern und Funktionären in Österreich, Tschechien und Ungarn aufgewendet worden. 70 Prozent des Geldes sei auf österreichischen Konten gelandet.

An der Einstellung des Verfahrens gegen Mensdorff in England ändert das freilich nichts mehr. Wie berichtet hat sich der Rüstungskonzern BAE, der die Saab Gripen herstellt, zur Zahlung einer Strafe von rund 328 Mio. Euro verpflichtet. Im Gegenzug werden die Ermittlungen in England und den USA (dort wurde ein Großteil der Strafe gezahlt) im Zusammenhang mit Geschäften in Saudi-Arabien, Tschechien und Ungarn eingestellt. Derartige "Deals" sind eine Besonderheit des angloamerikanischen Rechtssystems.

Welche Auswirkungen der Deal auf Österreich hat, ist juristisch kompliziert. Grundsätzlich gibt es ein Schengen-Abkommen, wonach niemand wegen ein und desselben Sachverhalts ein weiteres Mal in einem anderen Land strafrechtlich verfolgt werden darf. Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof gilt dieses Prinzip nicht nur für Gerichtsurteile, sondern auch für "verfahrensbeendende Maßnahmen der Staatsanwaltschaft", erklärte der Strafrechtler Robert Kert von der Uni Wien im Standard-Gespräch.

Es sei aber fraglich, ob ein Deal, den BAE abgeschlossen hat, automatisch auch für dessen "Mitarbeiter" Mensdorff-Pouilly gelte, sagt Kert. Schließlich zahle die Strafe BAE und nicht Mensdorff. Dessen Anwalt HaraldSchuster, der die Unschuld des Lobbyisten beteuert, bestätigt:"Von ihm kommt kein Euro." Außerdem könne das Doppelbestrafungsverbot auch nur für den gleichen Sachverhalt gelten, sagt Kert. Hier komme es also stark auf die genaue Begründung der Briten für die Einstellung an.

In Österreich wird gegen Mensdorff wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Bestechung im Zusammenhang mit Gripen-Geschäften in Ungarn und Tschechien ermittelt. Im Vorjahr saß der Burgenländer deshalb ein Monat in U-Haft. In Ungarn und Tschechien wurden die Ermittlungen aber bereits eingestellt.

Anhängig ist auch noch eine Korruptions-Anzeige, die sich auf den österreichischen Eurofighter-Kauf bezieht. Zur Erklärung: Mensdorff hat zwar für den Eurofighter-Mitbewerber Gripen lobbyiert, BAE ist aber auch am Eurofighter-Konsortium beteiligt. Bei diesem Vorwurf sei das "Substrat aber sehr dünn", heißt es in der Staatsanwaltschaft.

Und schließlich wird dem Ehemann der VP-Politikerin Maria Rauch-Kallat noch eine falsche Zeugenaussage im Eurofighter-U-Ausschuss vorgeworfen. Er hatte dort ausgesagt, wegen der Waffengeschäfte keinen Kontakt zu Politikern oder Beamten in Österreich und anderen Ländern gehabt zu haben. Ein Verwandter Mensdorffs gab später aber an, ein Treffen mit dem damaligen tschechischen Premierminister Miloš Zeman und dessen Finanzminister eingefädelt zu haben.

Auf letztere Ermittlungen könne das in England eingestellte Verfahren keine Auswirkungen haben, sagt Kert. Lässt sich die Rechtslage bei den anderen Vorwürfen nicht klären, müsste wohl der Europäische Gerichtshof entscheiden, ob die Verfahren auch in Österreich eingestellt werden müssen. (Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 9.2.2010)