Vor vierzig Jahren machte Regine Heitzer Luftsprünge auch auf dem Platz des Wiener Eislaufvereins. In der Pflicht biss sie sich durch, in der Kür entfaltete sie sich, riss sie die Zuseher zu Begeisterungsstürmen hin ...

Foto: EKE, Neumann

Später wandte sie sich ab vom Sport. "Ich wollte auch als Geschäftsfrau anerkannt werden."

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Wien - Manche Dinge ändern sich. Kein Mensch, nur zum Beispiel, hat noch einen Videorecorder. Also gingen Freunde von Regine Heitzer her und verwandelten eine Videokassette in eine DVD, die DVD bekam sie geschenkt, nun kann sie sich selbst beim Eislaufen zusehen. Zugesehen hat sie sich vor wenigen Tagen, gelaufen ist sie vor gut vierzig Jahren. Heitzers Kommentar zu ihrer Darbietung: "Wie aus einer anderen Welt. Kein Vergleich mit dem Eiskunstlauf von heute."

Dabei galt sie als treibende, innovative Kraft in ihrem Sport, sie brachte künstlerische Elemente ein, entwickelte Schrittfolgen. In der Pflicht, die sechzig Prozent der Note ausmachte, biss sie sich unter Anleitung ihres Trainers Hellmut Seibt durch, in der Kür entfaltete sie sich. "Aber die Trainer haben immer gesagt, tu' die Hände runter, du bist nicht beim Ballett."

Die Hände rauftun, das war nur beim Jubeln erlaubt. Und gejubelt haben die Eiskunstläufer ohne Unterlass. Österreich war weltweit führend, vor dem Zweiten Weltkrieg und danach, mit Olympia-, WM- und EM-Erfolgen sowie mit der 1945 gegründeten Wiener Eisrevue. Regine Heitzer knüpfte an Erfolge einer Eva Pawlik, einer Hanna Eigel, einer Ingrid Wendl, einer Hanna Walter an. 1960, als 16-Jährige, machte sie ihre erste olympische Erfahrung. Squaw Valley, Kalifornien. "Es gab nichts Gscheites zu essen, alles war deftig. Ich hab mich von Äpfeln, Eis und Rosinen ernährt." Als EM-Zweite war sie Medaillenkandidatin, viele Preisrichter freilich kannten das Mädchen aus Wien noch nicht. "Ein Chinese wertete mich an circa 32. Stelle."

1964 kannte man sie. Denkt sie an die Spiele in Innsbruck zurück, so hat sie zunächst weder Pflicht noch Kür vor Augen, auch nicht die Siegerehrung. Sondern die Eröffnung. Heitzer trug die Fahne. "Das hat mich stolz gemacht." Als Zweite erfüllte sie ihre Mission, es war damit zu rechnen gewesen, dass die Preisrichter für die Niederländerin Sjoukje Dijkstra werten würden. Heitzer feierte mit Karl Schranz, der am selben Tag ebenfalls Silber (Riesenslalom) geholt hatte. "Wir wurden herumgereicht, der Trubel war riesig."

Heitzer wurde zweimal Europameisterin, holte bei WM und EM insgesamt elf Medaillen, egalisierte Herma Szabos Rekord von sieben Meistertiteln. Ab 1967, da sie Profi-Weltmeisterin wurde, bis 1971 war sie Star der Wiener Eisrevue und bei Holiday on Ice. Dann, nach einer Premiere in Prag, hatte sie "plötzlich kein Gefühl im linken Fuß" . Eine Geschwulst hinter dem Kreuzbein führte zur Operation und zum sofortigen Karriere-Ende. "Der linke war mein Absprungfuß." Als Wien 1979 die WM veranstaltete, lief sie zwecks Interessens-Ankurbelung mit Emmerich Danzer einen Walzer. "Das letzte Mal, dass ich auf dem Eis stand."

Das Geld, das sie bei der Revue verdient hatte, investierte sie ins Geschäft ihres Vaters, einen Großhandel für Möbelbezug-stoffe mit Sitz in der Wiener Spiegelgasse, gleich ums Eck vom Graben. Sie ging in die Lehre, diente sich hoch, baute die Firma zum Einrichtungshaus aus. Dem Eiskunstlauf kehrte sie völlig den Rücken. Trainerlaufbahn oder Vereinsmeierei kamen nicht infrage. "Ich wollte nicht als Sportlerin, sondern als Geschäftsfrau anerkannt werden." Sie schaffte es auch in dieser, der zweiten Karriere ganz nach oben. Vor kurzem ging sie in Pension, in der Spiegelgasse wird demnächst Kindermode verkauft.

Regine Heitzer sieht ihren 18-jährigen Pudel Schoco "zugegeben ein bisschen als Kinderersatz" . Aus dem Geschäft nahm sie einen Vitrinentisch mit nach Hause, die Vitrine drängte sich auf fürs Edelmetall. "Wenn du neun Jahre auf dem Podest stehst, kommt schon etwas zusammen." Freilich stechen ihr die Medaillen nicht ständig ins Auge. "Sie sind verdeckt, weil immer irgendetwas auf dem Tisch liegt." Was ihr ansonsten von Olympia geblieben ist? "Eine Trachten-Phobie." Manche Dinge ändern sich nie.Ende der Serie (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 8. Februar 2010) Ende der Serie