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Für ein generelles Verbot des Ganzkörperschleiers in Frankreich tritt die Vereinigung "Ni Putes Ni Soumises" ("Weder Huren noch Unterwürfige") ein - hier bei einer Demonstration Ende Jännerin Paris.

Foto: Epa/Yoan Valat

Es war fast zu erwarten gewesen. Die seit Wochen dauernde Diskussion um ein Verbot des Ganzkörperschleiers beschäftigt nicht nur die französischen Politiker, sondern bringt auch Bankräuber auf Ideen. Zwei von ihnen überfielen am Samstag ein Postbüro in Athis-Mons östlich von Paris.

Gegen 10.30 Uhr präsentierten sie sich im dunklen Nikab - der im Unterschied zum Stoffgitter der afghanischen Burka zwei Augen freilässt - vor der Eingangsschleuse des Postamtes. Ein Angestellter ließ die zwei vermeintlichen Bewohnerinnen der Vorstadtgemeinde ohne weitere Umstände ein. Im Innern des Lokal lüfteten die beiden Männer ihre Kopfbedeckung, bedrohten die etwa 20 Anwesenden mit einer Pistole und verlangten die Herausgabe des Geldes. Danach verließen sie die Post ohne große Hast in Richtung des Parkplatzes. Die Fahndung blieb vorerst erfolglos.

Auch wenn ihre Beute nur 4500 Euros betrug, machte der Überfall umgehend nationale Schlagzeilen. Frankreich diskutiert seit längerem über ein Verbot des islamischen Ganzkörperschleiers, nachdem 2004 schon die bloße Haarbedeckung an Grundschulen verboten worden war. Eine Parlamentskommission hat vor zehn Tagen ein Teil-Verbot angeregt: Nikab oder Burka sollen in öffentlichen Ämtern und Orten, nicht aber auf der Straße untersagt werden. Das Parlament soll im Frühjahr entscheiden.

Der Banküberfall "wird zweifellos die Anhänger des totalen Verbotes des islamischen Körperschleiers bestärken" , kommentierte die nationale Medienagentur Agence France Presse, die sich sonst solcher Einschätzungen enthält. Über die Frage des kriminellen Missbrauchs hinaus pochen die Verfechter eines Burka-Verbotes generell auf die Personenidentifizierung in Amtsdokumenten und argumentieren mit der Unvereinbarkeit der Burka gegenüber westlichen Umgangsformen.

Wahlkampfmunition

Gut einen Monat vor den französischen Regionalurnengängen hat das Thema auch eine deutlich wahlpolitische Note. Vergangene Woche verweigerte Immigrationsminister Eric Besson einem Marokkaner die französische Staatsbürgerschaft, weil dieser seine Frau außer Haus offenbar zur Ganzkörperverhüllung gezwungen hatte. Der bürgerliche Premierminister François Fillon deckt dieses Vorgehen demonstrativ. Bisher hatten die Behörden nur den Nikab-Trägerinnen selbst den französischen Pass verweigert; diese Fälle waren allerdings sehr selten. Marine Le Pen, die Tochter des französischen Rechtsextremistenchefs, verlangt sogar die Bestrafung und Ausweisung des Marokkaners.

Während die Sozialisten in der Frage gespalten sind, setzte die "Neue Antikapitalistische Partei" (NPA) im südfranzösischen Avignon demonstrativ eine Kopftuch-Trägerin auf ihre Wahllisten. Die Studentin Ilham Moussaïd trägt zwar nicht den Nikab, verurteilt aber die Debatte, da sie eine einzelne - die muslimische - Gemeinschaft abstemple. Zum Postüberfall und der Frage von Eintrittskontrollen für Schleierträgerinnen äußerte sich die linksradikale NPA bisher nicht - ihr Anführer Olivier Besancenot ist dummerweise selbst Briefträger. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Printausgabe 8.2.2010)