Hinter dem alten Wohlfahrtsgebäude mit Kantine und Spital erheben sich die 50 Meter hohen Kugelgasspeicher des Gaswerks Leopoldau - 300.000 Tonnen Gas lagern dort für Engpässe

Foto: DER STANDARD/Andy Urban

Wien - Kaiserlich gelbe Herrschaftshäuser, eine Allee mit hundert Jahre alten Bäumen, rundherum ein Park - das gibt es nicht nur in Hietzing, sondern auch in Floridsdorf: Hier steht seit 1911 das Gaswerk Leopoldau. Doch während in Schönbrunn die Touristen die Kassen klingeln lassen, bröckelt der imperial gefärbte Putz hier von den Wänden. Ende der 70er-Jahre stoppte die Wien Energie die Gasproduktion und nutzte die Gebäude noch bis 2006 für die Verwaltung. Seit damals stehen sie leer - ein Käufer wird gesucht. Die Stadt Wien hat eine Studie zur "kulturellen Nachnutzung" für das Gelände in Auftrag gegeben, kommende Woche wird sie fertig.

Als das Gaswerk 1911 gebaut wurde, war es eine kleine Stadt: Wohnhäuser für die leitenden Angestellten und Techniker, Werkstätten, eine Kantine für 300 Esser, ein Spital und einige Hektar Land für Tomaten, Salat und Kaninchenzucht. 40.000 Quadratmeter war das Gelände einst groß, heute sind es immer noch 20.000. Teile des Grundstücks wurden bereits in den vergangenen Jahren ausgegliedert: Im Norden bauten die Wiener Linien 2007 eine Busgarage. Gleich daneben stehen die 50 Meter hohen Kugelgastanks aus den 80er-Jahren. 300.000 Tonnen Gas sind in ihnen gespeichert, zu Spitzenzeiten und im Notfall wird es in die Leitungen gepumpt.

Ein Drittel der Gebäude - wie die alte Kantine mit Bühne im Speisesaal oder die 100 Meter lange Halle, in der einst das Gas in verschiedene Rohre verteilt wurde - steht unter Denkmalschutz. Die Renovierung würde Millionen kosten, schätzt Christian Kunna von der Wien Energie. Abgerissen werden dürfen die Gebäude nicht, genutzt werden können sie kaum.

Genutzt für Kunst und Cobra

Außer für Kunst und Cobra. Die Festwochen zeigten vergangenen Sommer hier eine Orpheus-Produktion, die Dor Film dreht gerade in der alten Kantine, junge Bands machen hier Fotos für ihre Plattencover. Die Cobra trainiert auf dem Gelände für ihre Einsätze. Kunna stellt ihnen die Hallen und Häuser kostenlos zur Verfügung.

"Jeder Makler Wiens kennt das Gelände", sagt Kunna. Interessenten gebe es viele, drei davon seien auch so finanzkräftig, dass ein Kauf realistisch sei. Namen will Kunna noch nicht nennen. Doch die meisten potenziellen Käufer wollen nur die Allee mit den historischen Wohngebäuden und die Werkstätten - ähnlich wie derzeit in der Ankerfabrik könnten auch hier Lofts und Ateliers entstehen. Den Rest wollen sie jedoch nicht. Kunna will aber nur das komplette Areal auf einmal abgeben.

Im zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik bombardiert, Chemikalien gelangten in den Boden. Das Gaswerk steht deshalb als "Altlast" im Register des Umweltamtes. Eine eigene Grundwasseraufbereitung und unterirdische Mauern um die verseuchten Flecken sorgen dafür, dass nichts ins Grundwasser sickert. "Keiner, der hier spazieren geht, muss sich fürchten", sagt Kunna. Wer aber hier graben will, muss den Aushub fachgerecht entsorgen - was viel Geld kostet.

Egal, wer das Gelände kaufen wird - den letzten Mieter des Werks werden sie dazunehmen müssen. Seit Jahrzehnten wohnt der ehemalige Mitarbeiter der Gaswerke in seiner Dienstwohnung, alternative Angebote der Wien Energie hat er abgelehnt. (Tobias Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 3.2. 2010)