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Bestseller-Autor Sir Terry Pratchett (auf einem Archivbild nach seinem Ritterschlag im Februar 2009) will straffreie Sterbehilfe

Foto: AP Photo/Ian Nicholson/Pool

Eine Kommission aus Ärzten und Juristen berät über den Freitod-Wunsch von Sterbenskranken und garantiert deren Helfern Straffreiheit: Mit dieser Vision hat der Bestseller-Autor Terry Pratchett in Großbritannien die Debatte über die Sterbehilfe neu angefacht.

In einem Vortrag für die öffentlich-rechtliche BBC appellierte der an Alzheimer leidende Schriftsteller für eine Änderung der bisher geltenden Gesetze: "Die Medizin hat uns über Jahrhunderte hinweg zu längerem und gesünderem Leben verholfen. Sie sollte uns auch im Tod, zu Hause und im Kreis unserer Lieben, beistehen."

Der alljährliche Vortrag vor ausgewähltem Publikum erinnert an den legendären BBC-Anchorman Richard Dimbleby und findet auf der Insel große Beachtung. Hier sprachen schon US-Ex-Präsident Bill Clinton, Prinzessin Diana sowie der anglikanische Erzbischof von Canterbury. Pratchett, 61, wurde durch seine „Scheibenwelt"-Romane berühmt, die im Fantasy-Genre angesiedelt sind. Vor kurzem schlug ihn die Queen zum Ritter. Das Plädoyer des Schriftstellers für eine Liberalisierung des geltenden Rechts stößt in der Bevölkerung auf Zustimmung. Einer BBC-Umfrage zufolge befürworten 73 Prozent der Briten Straffreiheit für die Helfer von Sterbewilligen im Endstadium einer tödlichen Krankheit. Wer dagegen beim Selbstmord eines dauerhaft Schwerkranken assistiert, soll nach dem Willen einer knappen Mehrheit belangt werden.

Anträge verworfen

Bisher verliefen Initiativen für eine selbst minimale Lockerung der strafrechtlichen Vorschriften im Sand. Erst im Juli verwarf das Oberhaus das letzte Mal einen entsprechenden Antrag. Auch Premier Gordon Brown hat seine Ablehnung der Sterbehilfe deutlich gemacht.

Während versuchter Selbstmord auf der Insel seit 1961 straffrei ist, stehen auf Beihilfe bis zu 14 Jahre Gefängnis. "Sterbehilfe bleibt eine Straftat. Wir prüfen weiterhin jeden Fall individuell", erläutert Kier Starmer, Leiter der englischen Anklagebehörde CPS. Jüngsten Richtlinien zufolge muss nicht mit Strafverfolgung rechnen, wer Sterbewilligen nachweisbar "aus Mitgefühl" geholfen haben. Wer aber zum Suizid „ermutigt" oder finanzielle Vorteile daraus zieht, bekommt es hingegen weiterhin mit dem Staatsanwalt zu tun.

Erst vergangene Woche sorgte der Fall einer 55-jährigen Frau für Schlagzeilen, die wegen des Selbstmordes ihrer 31-jährigen Tochter angeklagt war. Lynn Gilderdale litt seit mehr als einem Jahrzehnt an Myalgischer Enzephalopathie - im deutsch-sprachigen Raum auch als chronisches Erschöpfungssyndrom bekannt. Den Selbstmordversuch ihrer Tochter vollendete Kay Gilder_dale, indem sie der Bewusstlosen durch die Nasensonde zerkleinerte Schlaftabletten einflößte und Luft in die Vene spritzte.

Weil sich die genaue Todesursache nicht mehr bestimmen ließ, lautete die Anklage dann auf versuchten, nicht vollendeten Totschlag. Davon sprachen die Geschworenen Gilderdale frei, verurteilten sie aber wegen Beihilfe zum Selbstmord - auf Bewährung. Die Mutter steht zu ihrer Tat: "Ich würde es wieder genauso machen." (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2010)